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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Autoren: Christos Tsiolkas
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geweckt, weil er mit dem Kopf auf seiner Schulter eingenickt war. Trotz Deo roch Lenin nach Umkleidekabine, nach Schweiß und Football, beißend, aber auch erregend. Richie nahm den Kopf hoch und entschuldigte sich.
    »Schon in Ordnung«, sagte Lenin und zwinkerte ihm zu.
    Als er in dieser Nacht in voller Montur ins Bett fiel, schlief Richie mit dem Wunsch ein, diesen Geruch festhalten zu können, ihn nicht zu verlieren.
     
    Am Morgen des Big Day Out war er so aufgeregt, dass er noch vor dem Weckerklingeln aufwachte. Er überlegte eine Stunde lang, was er anziehen sollte, und probierte dabei so ziemlich jedes Kleidungsstück an, das er besaß. Seine Hemden sahen alle uncool aus, also entschied er sich dagegen. Aber von den T-Shirts stand ihm auch keins. Schließlich fragte er seine Mutter, ob er ihr altes Pink-Floyd-Shirt anziehen durfte. Es war langärmlig, an der linken Schulteraufgerissen, spannte ein bisschen über der Brust – vielleicht machte sich das Schwimmen endlich bezahlt –, und das komische Logo mit dem langgezogenen schreienden Mann war kaum noch zu erkennen. Aber er fand, er sah gut darin aus, und irgendwie war es cool, ohne zu cool zu sein. Als seine Mutter ins Bad kam und ihm zwei Zwanzig-Dollar-Scheine in die Hosentasche steckte, protestierte er.
    »Jetzt nimm schon«, drängte sie. »Du sollst dich amüsieren.«
    »Danke.« Er fuhr sich durchs Haar, sodass es lässig zerzaust aussah, aber nicht den Halt verlor. Dann überprüfte er im Spiegel seine Zähne nach Essensresten.
    Seine Mutter beobachtete ihn. »Du siehst gut aus.« Sie saß auf dem Badewannenrand. Schließlich räusperte sie sich und fragte: »Wirst du Drogen nehmen?«
    Er sah sie im Spiegel an. Sie wirkte klein und ein bisschen ängstlich. Er nickte vorsichtig.
    »Was für welche?«
    »Gras, schätze ich.«
    »Was noch?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Irgendwas halt.«
    »Was denn?«
    »Speed. Vielleicht Ecstasy.«
    »Ach, Schatz.« Sie streckte die Hand nach ihm aus, zog sie aber wieder zurück. »Ich muss mich wohl damit abfinden, dass du jetzt erwachsen bist.«
    Er musterte sie aufmerksam. War sie sauer auf ihn?
    Sie stand auf und küsste ihn kurz auf die Wange. »Aber sei vorsichtig.« In der Tür blieb sie stehen. »Im Radio haben sie gesagt, die Polizei sei mit Spürhunden unterwegs. Am besten, du steckst dir das Zeug in den Arsch.«
    In den Arsch? Igitt. Wie ekelhaft.
    Er hörte sie im Flur kichern. »Wird schon nichts passieren. Wegen ein oder zwei Pillen nehmen sie dich nicht mit.«
    Ja, ja, ja. Halt einfach die Klappe. Es reicht.
    Er warf einen letzten Blick in den Spiegel, strich eine Locke glatt und machte das Licht aus. Es konnte losgehen.
    Er sah auf sein Handy. Noch eine Stunde, bevor er bei Connie sein musste. Einem plötzlichen Impuls folgend fuhr er mit der Straßenbahn nach Clifton Hill. Er wollte Hugo besuchen. Als er an die Eltern des Jungen dachte und an ihr letztes Zusammentreffen, zuckte er zusammen. Eigentlich hätte er im selben Moment umdrehen sollen. Aber er tat es nicht – er wollte Hugo sehen. Er beschloss, nicht vorher anzurufen. Es konnte gut sein, dass Gary und Rosie absichtlich nicht ans Telefon gingen, und er käme sich lächerlich vor, wenn er auf ihren Anrufbeantworter spräche und sie ihm dabei zuhörten. Als er durch das Gartentor trat, zitterte er vor Anspannung. Er holte tief Luft und zählte bis fünfzehn, dann klopfte er an die Tür. Er hörte Hugo durch den Flur laufen. Der Junge öffnete die Tür und starrte Richie an. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
    »Richie«, schrie er. Er umklammerte seine Beine so fest, dass Richie fürchtete umzukippen. Er nahm Hugo auf den Arm. Ohne auf sein aufgeregtes Gebrabbel zu achten, warf er einen Blick in den dunklen Flur. An einer Wand standen ordentlich gestapelt mehrere Reihen Pappkartons, dann erschien Rosie im Dunkeln in der Küchentür.
    Richie schluckte, er ließ Hugo runter und versuchte zu lächeln. »Hey«, nuschelte er ängstlich.
    Rosie trat aus dem Schatten, rannte auf ihn zu und fiel ihm um den Hals. Sie drückte ihn so fest an sich, dass er dachte, sie würde ihn zerquetschen.
     
    Sie zogen weg. Ein Arbeitskollege von Gary hatte einen Job in Hepburn Springs angenommen, die Renovierung einer Wellnessanlage, und Gary ebenfalls dort untergebracht. Sie hatten für ein Jahr ein Haus in Daylesford gemietet, erklärte Rosie, ähnlich aufgeregt wie Hugo, und sie freute sich, dass sie aus der Stadt herauskamen und dass Hugo auf
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