Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Autoren: Christos Tsiolkas
Vom Netzwerk:
hereingesteckt. Connie sprang gehorsam aus dem Bett. Die Schwester schüttelte den Kopf und ging weiter.
    Die beiden Teenager fingen an zu kichern, bis sie sich vor Lachen nicht mehr halten konnten. Richie musste sich zwingen aufzuhören, weil es zu sehr wehtat.
     
    Bevor er entlassen wurde, musste er zum Krankenhauspsychologen. Der Mann war Anfang vierzig, hatte einen dichten Ned-Kelly-Bart und funkelnde Augen, die Richie an Nate aus
Six Feet Under
erinnerten. Er kam sofort zur Sache. Er wollte wissen, warum Richie sich umbringen wollte. Richie rang nach Worten. Es war alles so schwer zu erklären. Vielleicht hatte Connie verstanden, dass sich die Wahrheit nicht immer in Worte fassen ließ. Wichtig war allein das Gefühl, nachdem er die Pillen genommen hatte. Er hatte nicht sterben wollen. Das war das Einzige, was zählte. Der Psychologe wartete gespannt. Er war ein aufrichtiger Kerl, nett und herzlich. Richie wollte ihn nicht enttäuschen. Er erzählte ihm, er habe sterben wollen, weil er Probleme mit seiner Sexualität habe. Das stimmte zwar nicht, war aber genau die richtige Antwort. Der Mann beugte sich vor und erklärte ihm, es gäbe die unterschiedlichsten Arten von Sexualität, dass es ganz normal sei, schwul zu sein, und dass die Menschen den meisten Dingen gegenüber liberal eingestellt seien. Richie nickte und versuchte, interessiert zu gucken. Er war wirklich nett. Er redete genau wieeiner seiner Lehrer. Ein bisschen zu ernsthaft. Er schrieb ihm ein paar Nummern auf, die Telefonseelsorge vom Krankenhaus und die vom Infonetzwerk für Schwule und Lesben. Richie steckte sie ein und bedankte sich. Schließlich wollte der Mann ihm nur helfen. Trotzdem war Richie froh, als die Sitzung vorbei war. Der Psychologe unterschrieb ein Formular und brachte ihn zu seiner Mutter ins Wartezimmer. Er konnte nach Hause gehen.
     
    Am Dienstagnachmittag bekamen sie ihre Ergebnisse. Seine Punktzahl betrug 75,3. Damit würde er an der Melbourner Uni nicht zugelassen. Vielleicht an der Deakin University oder am Royal Melbourne Institute of Technology, im zweiten Durchgang. Connie hatte 98,7. Sie würde definitiv einen Platz in Tiermedizin bekommen. Nick hatte 93,2. Das war spitzenmäßig, reichte aber trotzdem nicht für einen Studienplatz in Medizin. Richie hatte seine Mutter angerufen und ihr die Neuigkeit mitgeteilt. Sie hatte geweint und gesagt, sie sei stolz auf ihn, und dann war er zu Nick gegangen. Seine Eltern waren beide von der Arbeit nach Hause gekommen, um mit ihrem Sohn zu feiern. Mr. Cercic hatte ihnen einen Whisky eingeschenkt und mehrmals laut gerufen, Nick sei der erste Cercic, der an eine Uni komme. Aber Nick war schlecht gelaunt und unzufrieden mit sich.
    »Wahrscheinlich werde ich mich für Naturwissenschaften einschreiben«, sagte er. Und danach, etwas fröhlicher: »Dann streng ich mich total an, bekomm gute Noten und kann vielleicht nächstes Jahr zu Medizin wechseln.«
    Nick sah ihn erwartungsvoll an.
    »Klar«, sagte Richie. »Das schaffst du bestimmt.«
    Dann verdüsterte sich Nicks Miene wieder. »Ich werde bis an mein Lebensende verschuldet sein.«
    Richie zuckte mit den Schultern. »Na und? Die Welt geht sowieso unter, bevor wir es zurückzahlen müssen.«
    Nachdem sie sich mit Mr. Cercic einen angetrunken hatten, fuhren sie mit der Bahn in die Stadt. Im Irish Pub trafen sie sich mitConnie und Ali, Lenin, Jenna und Tina. An diesem Nachmittag fragte niemand nach einem Personalausweis. Ali hatte 57,8 Punkte. Das reichte für das geplante Maschinenbaustudium am Technical-and-Further-Education-College. Jenna wusste noch nicht genau, was sie machen wollte. Tina und sie waren gerade mal so durchgeschlittert, genau wie Lenin, der damit völlig zufrieden war. Er plante schon seit Jahren, eine Schreinerlehre zu machen. Ein Jugoslawe, der eine kleine Werkstatt in Reservoir betrieb, hatte versprochen, ihn einzustellen, unter der Voraussetzung, dass er seinen Abschluss schaffte. Lenin schien am glücklichsten von allen zu sein. Richie war zwar froh, bestanden zu haben, aber er wusste, dass sich jetzt sein ganzes Leben ändern würde. Nick und er würden sich nicht mehr jeden Tag sehen. Jenna erhielt einen Anruf von Tara, die durchgefallen und deswegen total fertig war. Die Mädchen beschlossen, sich um sie zu kümmern, woraufhin Ali, Lenin, Nick und Richie sich hemmungslos betranken. Im Taxi nach Hause, zwischen Lenin und Nick gequetscht, schlief Richie kurz ein, wurde aber gleich darauf von Lenins Gelächter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher