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Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Nur eine Ohrfeige (German Edition)

Titel: Nur eine Ohrfeige (German Edition)
Autoren: Christos Tsiolkas
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gegenüber ein älterer Mann lag, der auf den Fernseher über seinem Bett starrte. Neben ihm stand ein weiteres Bett, aber der Vorhang war zugezogen. Er bat seine Mutter, ihn einen Augenblick mit Connie allein zu lassen.
    »Ich geh mir einen Kaffee holen. Wollt ihr auch was?«
    Connie schüttelte den Kopf. Richie wollte nur Wasser. Er konnte sich nicht vorstellen, jemals wieder etwas zu essen.
     
    »Tut es weh?«
    Es musste wohl wehtun, zumal er ein taubes Gefühl verspürte, das sich offenbar vor allem auf seinen Unterleib erstreckte, als wäre sein Körper in zwei geteilt. So wie in den Zeichentrickfilmen von früher, wenn ein tolpatschiger Kojote von einem Felsbrocken plattgedrückt oder eine Katze durch die Mangel gedreht wurde. Er zuckte zusammen und nickte.
    Connie zog die Bettdecke weg, streifte die Turnschuhe von ihren Füßen und legte sich zu ihm. Erst jetzt sah er, dass er einen weißen Kittel anhatte und darunter nackt war. Der alte Mann gegenüber schaute kurz entsetzt, grinste dann aber und widmete sich wieder dem Fernseher. Auf einmal konnte Richie sich an alles erinnern. Hector fiel ihm ein, dann Rosie und Gary, Aisha und seine Mutter, der Albtraum in der Praxis. Der Gedanke daran war schlimmer als jeder körperliche Schmerz.
    »Es tut mir so leid, dass ich es Rosie erzählt hab. Das hätte ich niemals tun dürfen.«
    »Er hat mich nicht vergewaltigt«, flüsterte Connie zerknirscht. »So war das nicht.«
    »Ah.« Er fuhr sich mit der Zunge über die aufgesprungene Unterlippe. Seine Zunge war genauso trocken.
    »Tut mir leid, dass ich gelogen habe.«
    Er versuchte, sich zu erinnern. Welche Lüge meinte sie? Die Wahrheit erschien ihm plötzlich völlig unüberschaubar. Vielleicht erzählte sie ihm eines Tages, was wirklich passiert war, aber darauf kam es jetzt nicht an. Als er sich umdrehen wollte, schoss ihm ein stechender Schmerz durch den Rücken. Hoffentlich verzieh sie ihm, dass er sie verraten hatte.
    »Wie geht es Aisha?«
    »Sie ist so was von cool.« Connies Stimme war voller Bewunderung. »Sie ist überhaupt nicht böse auf dich. Sie ist nur wütend auf Gary und Rosie. Vor allem auf Rosie.« Connies Tonfall wurde härter. »Ich übrigens auch.«
    »Es ist nicht ihre Schuld.«
    »Oh doch.« Sie war gnadenlos. »Was das für mich bedeutet, war ihnen scheißegal. Sonst wären sie zuerst zu mir gekommen. Es ging ihnen nur darum, Aisha zu verletzen. Diese Arschlöcher.«
    Aber was war mit Hugo? Er wollte nicht, dass Hugo glaubte, das Ganze hätte etwas mit ihm zu tun. Das würde er bestimmt denken. Da war sich Richie sicher. Hugo war ihm nämlich sehr ähnlich.
    »Wie geht es Hector?«, fragte er ängstlich. Hasst er mich jetzt?
    Connie lächelte und kitzelte ihn unter der Brustwarze. Er musste lachen.
    »Deinem Lover?«
    »Halt den Mund.«
    »Er weiß von nichts.«
    »Puh.« Er sank zurück aufs Bett, endlich erlöst.
    »Von Aisha erfährt er kein Wort. Sie findet nicht, dass er das wissen muss.« Connie sah ein wenig verwirrt aus. »Sie hätte es wahrscheinlich sowieso nicht geglaubt, auch dann nicht, wenn ich nicht da gewesen wäre. Ich schätze, es wäre egal gewesen, was du gesagt hättest.« Ihre Augen weiteten sich, sie kamen ihm riesengroß vor. »Sie liebt ihn einfach. Sie weiß, dass er so etwas Schreckliches nie tun würde.« Ihre Unterlippe bebte. »Und sie vertraut mir. Mir würde sie so etwas auch nicht zutrauen.«
    Der glückliche Hector, dachte Richie traurig, aber auch erleichtert. Manche Leute hatten einfach Glück. Das hatte er inzwischen gelernt. Er war erschöpft und durcheinander. Was war jetzt wirklich zwischen Hector und Connie gewesen? Die Wahrheit war ja angeblich etwas Heiliges, etwas, das jeder – seine Lehrer, seine Mutter, einfach jeder – für wichtig hielt, das über allem anderen stand. Aber in diesem Fall schien die Wahrheit keine Rolle zu spielen, jedenfalls nicht für Connie. Vielleicht für niemanden. Und in diesem Moment bestimmt auch nicht für ihn.
    »Ich bin müde«, flüsterte er. Lass uns einfach nur hier liegen, ohne zu reden.
    Connie drehte sich ein Stück zur Seite und zog etwas aus ihrer Hosentasche. Es war ein kleiner Umschlag. Sie gab ihn Richie. Er öffnete ihn und holte ein Ticket für das Big-Day-Out-Festival raus.
    »Das ist von Ali und mir. Ein verfrühtes Geburtstagsgeschenk.« »
    Wow.«
    »Wow«, äffte Connie ihn nach. »Wow.«
    »Raus da, aber schnell!« Eine dicke, bösartig aussehende Krankenschwester hatte den Kopf zur Tür
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