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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr
Autoren: Ramiro Pinilla
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Tisch zu setzen.
    »Pass auf: Das, was ich plane, ist noch eine Nummer größer als das, was meine Idole machen«, sage ich und beginne in der Buchhandlung auf und ab zu gehen, um meiner Erregung irgendwie Herr zu werden, die von Minute zu Minute wächst. »Ich will …«
    Nicht mal zwei Schritte kann ich machen, schon werde ich von Koldobike unterbrochen.
    »Das ist doch wohl nicht dein Ernst! Bisher wolltest du Chandler und Hammett wenigstens bloß nachahmen – und jetzt willst du als Samuel Esparta durch die Straßen ziehen? Du hast echt ’ne Meise, Sancho!«
    Diese verflixt gescheite Frau hat meine Zukunft besser umrissen als ich. Mit Verunsicherung hat ihre vorherige Verblüffung jedenfalls nichts zu tun.
    »Warum sollte dir so ein besserer Roman gelingen? Das wird sich eher wie die stümperhaften Memoiren eines Guardia Civil anhören«, knallt sie mir vor den Latz. »Als ob wir nicht schon genug Polizisten hätten.«
    »Aber in mir klingen plötzlich ganz andere Töne an«, protestiere ich kleinlaut. »Hörst du nicht den Unterschied?«
    »Ich höre gar nichts.«
    »Weil du es nicht hören willst! Ich wundere mich ja selbst über mich, aber auf einmal habe ich einen völlig anderen Stil!«
    »Das will ich lesen«, knurrt Koldobike und beginnt, in den Papieren auf meinem Tisch zu wühlen.
    »Nein, es ist alles
hier
drin!«, rufe ich und drücke meinen Zeigefinger energisch gegen die Stirn. »Im Kopf habe ich schon mehrere Seiten geschrieben. Wirklich! Und sie haben sich ganz von allein geschrieben … Und dich möchte ich auf jeden Fall auch darin unterbringen. Samuel Esparta braucht nämlich eine Sekretärin. Allerdings müsste sie blond sein. Das ist von entscheidender Bedeutung.«
    Unwillkürlich fasst sich Koldobike mit einer Hand in ihre Locken; sicher glaubt sie, ich will sie bloß hochnehmen.
    »Ach, ich habe ganz vergessen, den Villoslada einzupacken«, sagt sie dann und steht auf.
    Den Rücken gegen die Wand gelehnt, beobachte ich sieversonnen, wie sie vorne in der Buchhandlung die Regale absucht. Für jemanden, der noch nie aus Getxo herausgekommen ist, ist sie einsame Klasse; mithilfe ein paar kleiner Verbesserungen könnte sie es mit den blasierten Sekretärinnen meiner Vorbilder durchaus aufnehmen …
    Nach einer Weile zieht sie das Buch heraus und geht damit zu ihrem roten Tischchen neben der Eingangstür, auf dem ein Telefon und eine kleine Registrierkasse stehen, wo mit einem Stück blau gepunktetem Papier unter ihren Händen in Windeseile ein ansehnliches Päckchen entsteht.
    »Ah, und noch was: Wenn in Zukunft eine verzweifelte Frau anruft, die nach meinen Diensten verlangt … oder ein Mann, der mit niemand anderem als Samuel Esparta sprechen möchte, dann entgegnest du mit rauchiger Stimme, dass dein Chef leider keine Zeit hat, weil er gerade den mysteriösesten Fall seiner ganzen Laufbahn aufklärt.«
    Kurz blickt Koldobike aus den Augenwinkeln zu mir herüber und widmet sich dann wieder ganz ihrem Päckchen, das sie nun noch mit einer goldenen Schleife verziert.
    »Ich hab’s ehrlich nicht darauf angelegt, Koldobike, das musst du mir glauben. Die Geschichte ist mir quasi in den Schoß gefallen: Der rostige Eisenring ist schuld, an den Félix Apraiz immer seine Reusen gehängt hat. Weißt du, manchmal kam ihm aber jemand zuvor, und dann war er natürlich stinksauer und schnitt die fremden Seile ritsch, ratsch ab. Verstehst du? Er hat sie wutentbrannt
abgeschnitten,
nicht losgeknotet. Und die Zwillinge Eladio und Leonardo brachten ihn von allen am meisten auf die Palme. Nur: Ist das ein Grund, sie umzubringen?«
    »Einer hätte auch gereicht«, erwidert Koldobike plötzlich. »Der andere hätte es garantiert sofort begriffen und sich in Getxo nie mehr blicken lassen.«
    »Also, in die Fremde wäre der sicher nicht gegangen«,widerspreche ich. »Die Altube-Brüder haben sich nie was gefallen lassen. Nein, heimgezahlt hätte er es ihm! Mit einer Anzeige. Oder er hätte ihm den Schädel eingeschlagen.« Ich reibe mir nachdenklich das Kinn. »Kurioserweise hat Eladio bis heute nichts dergleichen unternommen …«
    Koldobike macht sich nun daran, die frisch eingetroffenen Pakete der Verlage auszupacken.
    »Félix Apraiz hätte also auf jeden Fall alle beide umgebracht. Und warum hat er es dann nicht getan?«
    »Das habe ich dir doch vorher schon erklärt«, erwidere ich geduldig. »Weil Lucio Etxe rechtzeitig aufgetaucht ist und der Schmied die Kette um Eladios Hals durchsägen konnte, bevor
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