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Nur Ein Toter Mehr

Nur Ein Toter Mehr

Titel: Nur Ein Toter Mehr
Autoren: Ramiro Pinilla
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den letzten Sack zuband. Ich richtete mich auf und drehte mich langsam um. Mein Entschluss stand fest, doch wie sagte ich das der jungen Frau, mit der ich bisher noch kein Wort geredet hatte?
    »Uns?«, brummte ich schließlich.
    Sie ließ sich davon jedoch nicht einschüchtern.
    »Ja, uns. Ich kümmere mich um die Bestellungen und den Papierkram. Wenn diese paar zerfledderten Bücher bares Geld bringen, dann erst recht die Neuerscheinungen der Verlage.« Ich wollte etwas entgegnen, doch sie redete schon weiter. »Ich heiße übrigens Koldobike, von den Ibaicetas, unten am alten Hafen. Und du bist Sancho Bordaberri und wohnst in Algorta. Damit wäre das auch geklärt. So, und jetzt stellen wir die Bücher wieder ordentlich hin. Und wir sollten der Buchhandlung auch einen Namen geben. Ich habe da an ›Beltza‹ gedacht …«
    Beltza
ist das baskische Wort für »schwarz«, weshalb ich sofort einverstanden war, liebte ich doch gerade die Romane der Schwarzen Serie, all die amerikanischen Hardboiled-Romane mit ihren einsamen Großstadtdetektiven. Das ist nun schon sechs Jahre her. Und seitdem gehört Koldobike zum lebenden Inventar meiner Buchhandlung – obwohl ich bis heute weder weiß, warum sie damals mit solchem Tatendrang in den Laden meines Onkels kam, noch warum sie geblieben ist, zu einem Hungerlohn, den sie selbst festgesetzt hat.
     
    »Du hast also auf der Post deinen letzten Roman abgeholt«, stellt sie nun fest. »Und kommst ohne ihn zurück. Er kann aber nichts dafür.«
    »Einer von uns beiden musste nun mal dran glauben.«
    Neugierig sieht sie mich an.
    »Und was hast du mit ihm gemacht?«
    »Am Strand war keine Menschenseele.«
    »Aha … Er hat sein Grab also in den Wellen gefunden. Dauerte es lang, bis er versunken war?«
    »Er ging unter wie Blei.«
    Da zieht sie ihre Jacke wieder aus und hängt sie zurück an den Garderobenständer.
    »Wie spät ist es?«, frage ich.
    »Fast zwei.«
    Notgedrungen erhebe ich mich, wobei der nach hinten rückende Stuhl über den Boden schrappt.
    »Mutter macht sich sicher schon Sorgen.«
    »Nein, ich habe ihr ausrichten lassen, dass du nicht zum Essen kommst. Als du nicht zurückkamst, war mir gleich klar, was du in der Mittagspause tun wirst.«
    »Wie? Was soll das heißen?«
    Koldobike stößt einen Seufzer aus und wiegt den Kopf. »Ach, Sancho, es ist doch immer dasselbe: Sobald sie dirdeinen Roman zurückgeschickt haben, sperrst du dich hier ein und suchst Trost bei deinen Chandlers, Hammetts und wie sie noch alle heißen.«
    Erleichtert lasse ich mich wieder auf meinen Stuhl fallen. Die Romane von Chandler und Hammett sind die Glanzstücke meines Krimiregals und stehen ganz oben, dort, wo sie dem Himmel am nächsten sind. Darunter befinden sich die keineswegs zu verachtenden Werke von Stanley Gardner, Rex Stout, Valentin Williams, Earl Derr Biggers, Martyn, Mash, Mason und Angelis. S. S. Van Dine und Agatha Christie hingegen haben ihren Regalplatz in Bodennähe; wüssten sie es, wären sie vermutlich gar nicht erfreut, aber ich stelle sie mir nun mal genauso überheblich vor, wie es ihre Ermittler Philo Vance und Hercule Poirot sind – im Gegensatz zu meinen Helden Philip Marlowe und Sam Spade, die für fünfundzwanzig Dollar pro Tag zuzüglich Spesen durch den tiefen Sumpf der menschlichen Gesellschaft waten.
    Koldobike hat sich zwischen dem Regal und mir aufgebaut und resolut die Hände in die Seiten gestützt.
    »Hör auf, sie zu vergöttern, Sancho! So großartig sind die nicht. Gut, sie setzen die eine oder andere Pointe, aber mehr ist es doch wirklich nicht, was sie auszeichnet.«
    Ich sehe sie nicht an. Weshalb ihre Stimme noch eindringlicher wird.
    »Der einzige Unterschied zwischen Chandler, Hammett und dir ist, dass ihre Bücher verlegt werden und deine nicht.« Sie muss mich für selbstmordgefährdet halten. »Und was den Unterhaltungswert deiner Romane angeht, so haben sie auf jeden Fall mehr Pfiff als all die Geschichten, die man sich am Tresen von La Venta erzählt.«
    »Es gibt keine anderen Götter neben meinen Helden.«
    Stöhnend greift sich Koldobike an die Stirn. »Deine blinde Ergebenheit halte ich im Kopf nicht mehr aus! Weißt du,dass ich schon mehr als einmal versucht war, sie alle auf der Straße zu einem Haufen zu stapeln und anzuzünden?«
    »Wage das bloß nicht!«, fahre ich zornig auf. »Auf Marlowe und Spade lasse ich nichts kommen! Unter Einsatz ihres Lebens treten sie für die Unschuldigen und Schwachen ein und befreien junge
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