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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit
Autoren: J Zeh
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vielleicht für die erste richtige Spielfilmrolle.«
    »Da habe ich schon ein konkretes Projekt im Auge.«
    »Dann wünschen wir viel Glück, Frau Pahlen.«
    Das feine Trippeln weicher Füße. Emil erschien auf dem Monitor, dessen beleuchtete Oberfläche kleine Fliegen anzog. Mitten auf Jolas Gesicht blieb er sitzen. Schaute mich aus schwarzen Knopfaugen an und zeigte die Zunge. In Filmen sind Menschen, auf deren Porträt ein Reptil sitzt, am Ende verrückt.
    Theodor Hast erzielte 12.400 Treffer bei Google. Die meisten davon hatten mit seiner Beziehung zu Jola Pahlen zu tun. Sein Wikipedia-Eintrag bestand aus zwei Zeilen ohne Foto.
    »Geboren 1969 in Reutlingen, deutscher Schriftsteller. Sein Romandebüt »Fliegende Bauten« erschien im Jahr 2001. Lebt in Berlin, Stuttgart, New York.«
    Der dreifache Wohnort weckte unangenehme Erinnerungen. Im Jurastudium hatte man uns beigebracht, Fachliteratur unter Angabe sämtlicher Verlagssitze zu zitieren. »Volker Schlön, Wertpapierrecht unter besonderer Beachtung des Wertpapierhandelsgesetzes, Berlin, Heidelberg, New York, 6. Auflage.« So ein Buch kostete im Laden 129 Mark und war in der Universitätsbibliothek notorisch vergriffen, sofern gerade eine Hausarbeit mit Bezügen zum Wertpapierrecht geschrieben werden musste. In Theos Fall war es nicht sein Buch, sondern er selbst, der angeblich an drei Orten zugleich lebte.
    »Ein irritierendes Glanzstück.«
    »Klare Ankündigung künftiger Geniestreiche.«
    »Es gibt viele Menschen, die mich mögen, aber nur einer muss mit mir zusammenleben. Das bin ich. (Theodor Hast, »Fliegende Bauten«, S. 23).«
    Laut Klappentext auf der Homepage des Verlags ging es um eine Hauptfigur namens Martin und die Suche nach Identität. Es klang kompliziert. Weiterhin hielt die Seite eine Leseprobe bereit.
    »Er fragte sich, wie es sein konnte, dass Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen und sich am siebten frei genommen hatte – gab es denn schon Tage, bevor die Erde im 24-Stunden-Takt um die Sonne fuhr? Und wieso hielt sich Gott an die Sieben-Tage-Woche? Es musste bedeuten, dass Gott irgendwo angestellt war. Martin hätte gern gewusst, bei wem. Er stellte sein Glas zur Seite und sah nach oben. Der zerrissene Himmel eilte nach Osten, als gäbe es dort etwas Dringendes zu erledigen. Auswandern, dachte er. Das ergäbe doch nur Sinn, wenn das Land, in das wir fliehen, nicht immer nur wir selbst wären.«
    Antje las eine Menge. Wenn ich einen Roman zur Hand nahm, schlief ich darüber ein.
    Das Zischen einer Pfanne. Ich roch Kaninchen. Den Computer ließ ich eingeschaltet. Für Emil war der Monitor ein phantastisches Jagdrevier.
    Antje hatte für vier Personen gedeckt. Zwei Gläser pro Person, eins für Wasser, eins für Wein. Mir fiel auf, dass die Gläser direkt auf dem Teakholz des Esstischs standen. In den Schubladen der Anrichte suchte ich nach Untersetzern.
    Jola redete viel. Ihre Hände flogen durch die Luft, als wollte sie Insekten verscheuchen. Das lange Haar schien ihr im Weg zu sein. Ständig schaufelte sie es von einer Seite zur anderen. Antje brachte kanarische Kartoffeln in Salzkruste, Champignons in Olivenöl und drei verschiedene Mojo-Saucen. Es ging um diesen Film. Jola war dabei, ein Buch über Lotte Hass zu lesen, und hatte abenteuerliche Vorstellungen vom Tauchen: im schicken Badeanzug ins Wasser springen und rasant die Flasche leer atmen, am besten Auge in Auge mit einem Walhai. Theo aß Kartoffeln. Eine nach der anderen, in gleichmäßigem Tempo, als verrichtete er eine Routinearbeit.
    Ich sagte, dass ich sie streng nach Vorschrift unterrichten würde. Sorgfalt und Sicherheit stünden in jeder Situation an erster Stelle. Es gehe nicht um Abenteuer, sondern um Sachkenntnis und Technikbeherrschung.
    Jola schob die Unterlippe vor und spielte kleines Mädchen. Ob sie sich nicht mit einem Walhai anfreunden könne?
    Ich sagte, dass wir Engelhaie sehen würden. Höchstens zwei Meter lang und die meiste Zeit flach am Boden liegend. Da verwandelte sich das kleine Mädchen in eine Strategin mit schmalen Augen und gefährlichem Lächeln.
    »Hauptsache, ich kann beim Casting sagen, dass ich mich mit Haien auskenne.«
    Ich dachte, dass sie es gar nicht nötig habe, sich so aufzuführen. Zwischen ihren Schneidezähnen befand sich eine niedliche kleine Lücke, die dafür sorgte, dass ich ihr ständig auf den Mund schauen musste. Plötzlich lag ihre Hand auf meinem Arm. Ihr Augenaufschlag verriet Übung. Ob ich nicht glaube, dass sie
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