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Nr. 13: Thriller (German Edition)

Nr. 13: Thriller (German Edition)

Titel: Nr. 13: Thriller (German Edition)
Autoren: Laura Wulff
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Innern herrschte ein seltsames Eisschranklicht. Das passte auch zu dem blutigen, im buchstäblichen Sinne gut abgehangenen Stück Rot, das in der Mitte leuchtete.
    Zuerst erkannte Tom Krohne nicht genau, was sie da vor sich hatten. Er blinzelte. Vielleicht war seine Netzhaut ebenfalls mit Baustaub überzogen. Doch dann sagte eine Stimme aus dem Nichts: »Es erinnert an ein Gemälde von Francis Bacon, findet ihr nicht? Fleischfarbene Wirbel mit blutroten Spritzern. Ich frage mich, ob der gute Francis seinen schreienden Päpsten auch gerne die Kehle durchgeschnitten hätte.«
    Hanna Mantolf neben ihm holte tief Luft. Vorsichtig trat er näher. Der Mann war stehend an einen T-Träger gefesselt und hatte sich im Verlauf seines Martyriums so dagegen gestemmt, dass die Schultern wie ausgekugelt aussahen. Die Knie waren nach innen eingeknickt. Er war nach vorne gesunken, und unter dem dichten schwarzen Haar verlief eine Augenbinde, als wollte jemand der Leiche den eigenen, Anblick ersparen. Krohne gönnte sich – ganz ohne schlechtes Gewissen – einen Blick auf die schimmernden Lichtreflexe in Mantolfs Strumpfhose, was ihn seltsamerweise beruhigte. Wann hatte die Sonne diesen Teil ihrer Strahlen darin verloren und nicht wieder zurück gefordert?
    »Was … was sind das für Spuren auf seiner Haut?«, fragte sie, noch immer gebannt von dem erschütternden Anblick, und die Stimme sagte: »Sieht aus wie Striemen. Oder Schnitte.« Neben dem T-Träger lag ein Häuflein mit Kleidern, die Schuhe standen ordentlich daneben. Und dort trat nun Benno Hader hervor, der sich selbst scherzhaft Dr. Hades nannte. Er trug trotz der Hitze einen grauen Anzug und einen Hut. Dieses Outfit eines 50er Jahre Gangsters endete im Baustaub mit einem Paar hellroter Sneaker. Seine Stimme füllte den Raum mit hallenden Echos.
    »Massiver Blutverlust. Die Kehle wurde durchtrennt, aber von jemandem, der das zum ersten Mal gemacht hat. Sehr dilettantisch, das Ganze.«
    Er sagte das leichthin. Wenn Tom Krohne dem Pathologen begegnete, erinnerte er ihn immer ein klein wenig an einen Studenten im 5. Semester, der sich noch über die besonders grausigen Fälle freut. Benno Hader hatte blondes, leicht gelocktes Haar, das sich um geradezu winzige Ohren ringelte. Seine Gesichtsfarbe sah stets danach aus, als hätte er gerade Sauna und Tauchbecken hinter sich und nicht die Neon beschienenen Kacheln der Gerichtsmedizin. Krohne dachte einmal wieder, mit was für illustren Wesen er immer wieder an diversen Tatorten zusammenkam, seit er für das Mannheimer Morddezernat arbeitete. Benno Hader mit seinem jungenhaft, unkonventionellen Stil, der auf scherzhafte Bemerkungen über seine roten Turnschuhe antwortete, dass man als Pathologe eben im Blut watet. Und Hanna Mantolf, die aussah, als sei sie dem frühen Filmwerk Fellinis entsprungen. Er dagegen musste sich von seiner Frau anhören, dass er perfekt dem Klischee des heruntergekommenen Kommissars entspreche mit verwaschener Cargohose, den Stoffturnschuhen und seinen geliebten Reggae-Shirts.
    Er betrachtete Dr. Hades, der neben der Leiche stand, als würde er ein avantgardistisches Kunstwerk betrachten. Plötzlich gönnte er diesem roten Etwas, dass ihm nach seiner Tortur nun die kühlen, sachlichen Berührungen eines Mediziners bevorstanden. Hader schnippte mit den Fingern und wie aus dem Nichts tauchten Leute von der Spurensicherung auf und nahmen sich das Blut auf dem Boden vor. Die Planen rauschten und wisperten im Luftzug.
    »Arterielle Spritzer auf dem Boden«. Hader schob sich ein Bonbon in den Mund. »Entweder hat er einen schrecklichen Fehler gemacht, dass er das erleiden musste, oder jemand glaubte, dass er das verdient hat.«
    Hader und seine Hardboiled-Sprüche, dachte Krohne. Wenn er so etwas Theatralisches gesagt hätte, hätte es albern gewirkt. Aber aus dem Mund des Pathologen klang es, als wären sie allesamt Schauspieler an einem düsteren Filmset. Und das wiederum wirkte auch irgendwie tröstlich.
    Er starrte auf das, was von Sven Borke übrig geblieben war. Der Zustand seiner Haut verriet ihnen, dass sein Tod eine Erlösung gewesen sein musste. Seine Genitalien waren in einem Zustand, der keine Lust auf einen zweiten Blick machte.
    »Wann ist das passiert?«, fragte Krohne Benno Hader.
    »Schätzungsweise gestern Abend zwischen 23.00 und 02.00 Uhr.«
    »Wie kommt’s, dass du so schnell aus Heidelberg da warst?«
    »Wer sagt, dass ich aus Heidelberg hergekommen bin?« antwortete Hader, kryptisch
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