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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas
Autoren: Ulrike Schweikert
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eigenen Ohren unnatürlich schrill. Sie räusperte sich und versuchten, den überlegenen, gezierten Tonfall zu finden, den sie sich zu eigen gemacht hatte, doch seine Gegenwart ließ alle Überheblichkeit wie ausgebrannte Scheite in sich zusammenstürzen. Es verlangte sie danach, ihm ins Gesicht zu sehen, doch ihr Blick hing wie hypnotisiert an der goldenen Echse, die sich um seinen langen, schmalen Ringfinger wand. Sie schien sie aus ihren Smaragdaugen anzustarren.
    »Wie wird es jetzt weitergehen?«, sagte er trügerisch sanft.
    Sie straffte den Rücken und schüttelte ihre weit ausladenden Röcke zurecht. Die Seide raschelte und legte sich weich und kühl um ihre Beine. »Die Kinder der Clans kehren in dieser Stunde zu ihren Häusern zurück. Im September soll dann dieses unsinnige Experiment fortgeführt werden.«
    »Es ist ganz und gar nicht unsinnig, das solltet inzwischen sogar Ihr begriffen haben!«, widersprach das Wesen im Schatten. »Wo werden sie sich treffen? Ihr habt meine Anweisungen doch sicher verstanden?«
    Sie fiel in sich zusammen. Die stolze Haltung löste sich auf. Selbst ihre Haut wirkte plötzlich welk und verbraucht. »Ich habe alles versucht, glaubt mir, aber ich konnte es nicht verhindern: Sie gehen nach Irland!« Es war gesagt! Der Augenblick, vor dem sie sich so gefürchtet hatte, war gekommen. Sie machte sich keine Illusionen darüber, wie er diese Nachricht aufnehmen würde. Sein Zorn war so mächtig, dass die Luft zwischen ihnen zu vibrieren schien, doch er blieb ruhig sitzen und erhob nicht einmal die Stimme.
    »Ihr habt also versagt, obwohl Ihr wusstet, wie wichtig diese Sache für mich ist?«
    Sie wurde noch kleiner, verschränkte die Hände vor den üppigen rotseidenen Rüschen und senkte den Blick. »Ja, ich habe versagt. Doch ich hoffe, Ihr werdet mir dennoch die Möglichkeit geben, weiterhin für Euch von Nutzen zu sein.«
    »Seid Ihr das denn? Mir von Nutzen?«
    Der Schreck fuhr ihr durch die Eingeweide. »Aber ja! Ihr findet keine, die Euch tiefer ergeben ist. Ich verehre Euch!«
    Er winkte ab. »Ja, ja, spart Euch Eure Treueschwüre. Sie sind nur von Wert, wenn Ihr auch wirklich bereit seid, mir zu dienen.«
    »Ich kann nach Irland reisen und sie im Auge behalten.«
    Er lachte verächtlich. »Wozu? Damit ihr in Irland nichts zustößt? Das wird nicht nötig sein!«
    »Aber das Jahr wird schnell vergehen und dann reisen sie nach Hamburg oder Paris oder nach Wien! Dann kann ich Euch helfen.« Sie hasste das Flehen in ihrer Stimme, das Betteln, das bei anderen stets Verachtung in ihr auslöste.
    »Wir werden sehen. Kehrt nun zurück und haltet Euch für den Tag bereit, an dem ich Euch rufe. Für den Augenblick habe ich keine Verwendung mehr für Euch.«
    Sie fühlte, wie es hinter ihren Augen brannte. Sie wollte zu ihm eilen, sich ihm zu Füßen werfen und ihn anflehen, sie mitzunehmen, doch sie sammelte den letzten Rest an Beherrschung, den sie noch aufbringen konnte, und versank in einen tiefen Knicks. »Dann erwarte ich freudig Eure Befehle«, hauchte sie und eilte hinaus. Sein Blick glühte wie Sonnenlicht in ihrem Rücken.
     

GLOSSAR
    Akrostichon: Dies ist eine Versform, bei der die Anfangsbuchstaben hintereinander gelesen ein Wort oder einen Satz ergeben.
     Baron/Baronesse: Adelstitel, der im deutschen Sprachraum dem Freiherrn entspricht. Die meisten Titel stammen aus dem Baltikum im Zarenreich.
     Conte: Italienischer Adelstitel. Entspricht dem deutschen Grafen.
     Devotionalien: Religiöse Gegenstände wie Kreuze, Rosenkränze, Heiligenfiguren und Bilder zur Andacht. Meist werden sie billig hergestellt und zu großer Zahl an Wallfahrtsorten verkauft.
     Gängeviertel: Arme Wohnquartiere in der Altstadt von Hamburg. Die Häuser waren sehr dicht aneinandergebaut mit vielen Hinterhöfen. Die Gassen waren zu eng für Fuhrwerke, die Wohnungen klein, dunkel und die hygienischen Bedingungen sehr schlecht. Das Gängeviertel auf dem Wandrahm und Kehrwieder wurde zum Bau der Speicherstadt abgerissen. Vierundzwanzigtausend Menschen verloren ihre Wohnung und wurden in Vororte umgesiedelt.
     Habit: Kleidung der Mitglieder katholischer Orden. Sie haben verschiedene Farben und bestehen aus unterschiedlichen Einzelteilen wie zum Beispiel einer Tunika, Skapulier (Schulterkleid) und Kukulle mit Kapuze bei den Benediktinern. Das Habit der  Franziskaner ist braun, das der Minoriten schwarz. Das Habit der Dominikaner ist weiß, darüber kommt ein schwarzer Radmantel. Die Ordensfrauen
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