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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas
Autoren: Ulrike Schweikert
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Lippen, breitete sich über sein ganzes Gesicht aus und gab den braunen Augen einen goldenen Schimmer. »Manches Mal wüsste ich gern, was du denkst.«
    »Das glaube ich dir, aber ich werde das zu verhindern wissen!«, erwiderte sie fast ein wenig hart. »Warum bist du gekommen?« Ivy schlang ihre Arme um die Knie. Sie sah den jungen Dracas aufmerksam an, doch der senkte den Blick auf seine glänzend polierten Lackschuhe.
    »Ich dachte, es gehört sich, dass ich mich von dir verabschiede, wenn wir uns für ein paar Monate nicht sehen. Niemand kann behaupten, wir hätten in Wien nicht eine ausgezeichnete Kinderstube genossen!«
    Ivy lachte hell auf. »Ja, das ist wahr. Ich bin froh, dass du dich nicht einfach über die gesellschaftlichen Höflichkeitsformen hinwegsetzt.«
    Er warf ihr einen misstrauischen Blick zu. »Machst du dich über mich lustig?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich frage mich nur, ob dir nicht in den Sinn gekommen ist, mir im Hof der Domus Aurea Lebewohl zu sagen.«
    »In den Sinn gekommen, ja, doch der Ort schien mir nicht geeignet zu sein.«
    Ivy verstand. »Weil ich dort nicht allein war?«
    »Ich kann in einem solchen Augenblick durchaus auf Lucianos Hass und Alisas Verachtung verzichten!«, sagte er vermutlich heftiger als beabsichtigt.
    Ivy seufzte. »Ich sehe, wir werden in Irland viele Missverständnisse auszuräumen haben!« Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. »Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen. Wir haben viele Monate Zeit. - Jetzt allerdings läuft uns die Zeit davon. Ich kann schon die Rufe der Schauerleute hören.« Sie streckte ihm die Hände entgegen. »Wir sehen uns bald wieder. Ich wünsche dir eine gute Rückkehr nach Wien und im Herbst eine sichere Reise nach Irland.«
    Franz Leopold umschloss ihre zarten Finger, als seien sie äußerst zerbrechlich. Er zitterte ein wenig. »Ich freue mich darauf, deine Heimat kennenzulernen.«
    »Ach ja? Hast du deine Meinung über uns steinzeitliches Bauernvolk geändert, das nur dazu taugt, Schafe zu hüten?« Der Schalk schimmerte in ihren türkisblauen Augen.
    Franz Leopold lächelte zurück. »Aber nein, dennoch kann es nicht schaden, auch einmal Völker zu betrachten, die die Schwelle zur Zivilisation noch nicht überschritten haben. Nenne es ein interessantes Studienobjekt.« Seine Worte klangen wie eh und je, sein Tonfall aber kam einer Liebeserklärung gleich.
    Ivy knuffte ihn in den Arm. »Leo, du bist und bleibst ein überhebliches Scheusal!«
    Der junge Vampir deutete eine Verbeugung an. »Zuweilen habe ich mich ein wenig gehen lassen, doch ich werde den Sommer über an meiner aufrechten Haltung und meinem Stolz arbeiten. Ich will den anderen doch nicht ihr Objekt der Abneigung nehmen!«
    Der Wagen hielt mit einem Ruck an. Franz Leopold beugte sich vor und berührte ihre Fingerspitzen mit seinen kalten Lippen. Ivy zuckte zusammen und zog die Hände zurück. »Wie es scheint, ist unsere Zeit zerronnen. Pass gut auf dein Herz und deinen Hals auf, Ivy-Máire, bis wir uns wiedersehen - und auf deinen Wolf. Er ist wirklich ein außergewöhnliches - jetzt hätte ich beinahe Tier gesagt, aber Wesen ist wohl passender!« Ivy sah ihn nur stumm an.
    Franz Leopold klappte den Deckel zu und schlug die Nägel wieder ein. Er konnte gerade noch unter der Plane durchschlüpfen, als die Schauerleute von der anderen Seite herantraten, um die Särge abzuladen. Er zog sich zu einem Stapel Weinfässer zurück und sah ihnen zu.
    »Wir sollten zurückkehren, wenn Ihr den Zug nach Wien nicht verpassen wollt.« Franz Leopold unterdrückte die Rüge, die ihm auf der Zunge lag. Hatte er seinem Diener nicht befohlen vorauszugehen?
    »Ich muss Euch gehorchen und ich muss Euch beschützen. Manches Mal kann man nicht beides«, sagte Matthias.
    Rasch verschloss Franz Leopold seinen Geist, denn was er gerade in seinen Gedanken bewegte, sollte nicht einmal Matthias erfahren. »Dann lass uns gehen!«, erwiderte er schroff.
    Lautlos und schnell wie Blätter im Sturmwind liefen sie dahin, zurück zur Domus Aurea, wo ihre Kutsche zum Bahnhof bereits auf sie wartete.
     
    Der Zug ratterte durch die Nacht. Alisa lag in ihrer Kiste und fühlte, wie der Rhythmus der Schwellen wie Wellen durch ihren Körper glitt. Den ganzen Tag über waren sie durch das Königreich Italien nordwärts gereist und hatten den großen Strom überquert, der sich träge durch die Poebene schlängelte. Seit die Nacht angebrochen war, fuhr der Zug immer langsamer und quälte
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