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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas
Autoren: Ulrike Schweikert
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andeutete. »Gut, dass wir das geklärt haben. Lebe wohl! Ich werde nun das tun, womit wir hier eigentlich unsere Zeit zubringen sollten: zum Unterricht gehen, um meine Kräfte zu stärken!«
    Er ging. Alisa sah ihm nach. Sie konnte sich nicht mehr auf ihre Zeitung konzentrieren. Sie fühlte sich ausgelaugt und leer und unheimlich traurig.
     
    Die letzten beiden Wochen vergingen wie im Flug. Alisa nahm wieder am Unterricht teil, übte mit den anderen den Umgang mit Kruzifixen, Weihwasser und Hostien, lernte eine letzte Lektion Italienisch und steckte bei den Geschwistern Umberto und Letizia noch einmal Schläge mit dem Rohrstock ein. Nach dieser Stunde waren Tammo, Sören und die Pyras so aufgedreht, dass sie sich im Gemeinschaftsraum eine saftige Prügelei lieferten.
    Alisa und Ivy sahen einander kopfschüttelnd an. »Man sollte doch meinen, sie seien froh, dem Stock für die nächsten Monate entkommen zu sein, stattdessen scheinen sie jetzt schon geradezu Sehnsucht nach Prügel zu entwickeln!«
    Dann kam der Abend, an dem sie wieder nach Hause reisen sollten. Die Reisekisten und Särge wurden gepackt und in den großen Hof getragen, wo Servienten sie auf Sänften oder Karren luden. Die ersten Wagen rollten durch das Tor.
    Alisa und Ivy umarmten einander herzlich. »Ich freue mich so, dich schon bald in deiner Heimat wiedersehen zu können! Wenn es nach mir ginge, könnten wir sofort alle gemeinsam nach Irland reisen!«
    Luciano nickte zustimmend. Er verbeugte sich feierlich vor ihnen und umarmte sie dann ganz kurz. Ein wenig verlegen trat er zurück und senkte den Blick. »Ich werde euch beide vermissen. - Euch drei!«, berichtigte er mit einem Lächeln in Seymours Richtung.
    »Ja, dich werde ich auch vermissen.« Alisa ließ sich auf ein Knie sinken und legte die Arme um den pelzigen Nacken des Wolfes. »Gib gut auf unsere Ivy-Máire acht. Sie ist uns lieb und teuer!«
    Er sah sie ernst aus seinen klugen gelben Augen an. Alisa fühlte sich wie gelähmt. Es war, als hätte er einen Bann über sie geworfen, den sie nicht durchbrechen konnte. Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Endlich wandte der Wolf den Blick ab und Alisa erhob sich taumelnd. »Er ist ein guter Freund und Beschützer«, sagte sie etwas außer Atem.
    »Ivy-Máire! Komm endlich in deinen Sarg. Wir müssen aufbrechen. Die Flut wird nicht auf uns warten!« Mervyn winkte sie ungeduldig zu sich.
    »Ja, ich komme! Dann also bis September - und immer schön mit Kreuzen und Weihwasser üben!« Sie sah ihre Freunde noch einmal an, dann wirbelte sie herum, dass sich ihr silbernes Gewand blähte und ihre Locken flogen, und eilte Mervyn nach, dicht gefolgt von Seymour. Ivy legte sich zusammen mit dem Wolf in ihre Reisekiste. Der Deckel wurde geschlossen und vernagelt. Dann hoben zwei Servienten die Kiste auf den Wagen, der sie zum Hafen am Tiber bringen sollte. An der Küste würden die Särge auf einen Schoner geladen, einen schnellen Segler, der als Post- und Kurierschiff zu den Britischen Inseln unterwegs war.
    Die Pferde zogen an, der Karren begann zu schwanken und rumpelte über das unebene Pflaster. Ivy lag auf dem Rücken, eine Hand in Seymours Fell vergraben. Sie spürte, wie seine Ohren spielten.
    »Hast du ihn gehört?«, flüsterte sie. »Ich kann ihn wittern. Er ist auf dem Karren, auch wenn ich mir nicht denken kann, was um alles in der Welt er vorhat!«
    Ivy lauschte und war nicht überrascht, als die ersten Nägel aus dem Sargdeckel gezogen wurden. Dann klappte der Deckel auf und sie sah in Matthias’ unbewegliches Gesicht. Das allerdings erstaunte sie ein wenig. In seiner stoischen Art legte er stumm die Hand an die Brust und verbeugte sich, dann zog er sich zurück und ließ seinen Herrn vortreten.
    »Ich brauche dich nicht mehr«, sagte Franz Leopold. »Du kannst zur Domus Aurea zurückkehren und zusehen, dass alles vorbereitet ist.« Der Diener sprang vom fahrenden Wagen.
    Ernst blickte Franz Leopold auf sie herab. Ivy setzte sich auf  und zog ihr Kleid bis über die Knöchel hinunter, dass nur noch die nackten Füße zu sehen waren. »Was gibt es?«, fragte sie, als sei es ganz normal, dass er auf diesem Karren war, der dem Tiberhafen zuschwankte, um seine Ladung nach Irland einzuschiffen. »Dies ist nicht der Zug nach Wien, falls dir das entgangen sein sollte.«
    »Danke für den Hinweis, doch das ist mir durchaus nicht entgangen. Unser Zug fährt erst in ein paar Stunden ab.« Ein Hauch von einem Lächeln huschte über seine
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