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Nosferas

Nosferas

Titel: Nosferas
Autoren: Ulrike Schweikert
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sich zwischen den aufragenden Gipfeln zum Pass hinauf. Alisa summte im Taktschlag der Räder, vielleicht weil sie sich so allein und bedrückt fühlte. Sie hätte sich freuen sollen, heimzukommen zu ihrer Familie!
    Plötzlich hielt sie inne. Ein Geräusch schwang sich über den Lärm des Zuges und dann konnte sie jemanden spüren. Ein Vampir, ja, eindeutig ein Vamalia.
    Hindrik? Sie blinzelte erstaunt, als der Deckel plötzlich abgehoben wurde und der Servient auf sie herabgrinste.
    »Was? Du liegst noch immer in deiner Transportkiste, obwohl  die Sonne bestimmt schon vor zwei Stunden untergegangen ist?«
    »Wo sollte ich denn sonst sein?«, verlangte Alisa zu wissen, ohne sich zu rühren. »Ich dachte, wir hätten von Dame Elina persönlich die Anweisung erhalten, uns während der Reise nicht vom Fleck zu rühren!«
    Hindriks Augen wurden weit. »Seit wann interessierst du dich für Anweisungen, die deinem Verlangen zuwiderlaufen? Hat euer kleines Abenteuer dich so verschreckt?«
    Alisa richtete sich in ihrer Kiste auf und lächelte ihn an. »Und seit wann verführst du uns zum Ungehorsam? Ich dachte immer, deine Aufgabe wäre es, uns im Zaum zu halten!«
    »Ja, vielleicht morgen wieder, daheim in Hamburg unter dem strengen Blick von Dame Elina und ihren Vertrauten. Aber heute Nacht sind wir frei - nicht mehr im Land der Nosferas und auch noch nicht im Reich von Dame Elina. Wir sind frei, irgendwo zwischen Himmel und Erde.«
    »Zwischen Schluchten und weiß verschneiten Bergen«, sprach Alisa weiter und sprang aus ihrer Kiste. »Wollen wir auf das Dach klettern?«
    Hindrik versuchte sich an einer würdevollen Miene, die kläglich misslang. »Aber ja! Das wollte ich eben vorschlagen. Aber leise!«, mahnte er und deutete auf die beiden Kisten, in denen Tammo und Sören reisten.
    Alisa schlug die Hand vor den Mund und unterdrückte ein Kichern. Dann schlüpfte sie durch die nur angelehnte Tür auf die Plattform zwischen den Waggons hinaus und hangelte sich geschickt auf das Wagendach. Hindrik folgte ihr.
    »Was für eine wundervolle Nacht!«, seufzte Alisa. Sie legte den Kopf in den Nacken und drehte sich auf der Stelle. Die Sterne über ihr verschwammen zu Lichtkreisen. Der betörende Duft der Frühlingsblumen hüllte sie ein. Ein Tier brach durch den Wald und jagte über einen steinigen Hang davon. Eine ganze Herde folgte ihm. Alisa hielt inne. »Sind das Gämsen?«
    Hindrik nickte und ließ sich im Schneidersitz auf dem Dach nieder. Der Fahrtwind wehte ihm das lange Haar ins Gesicht, doch das schien ihn nicht zu stören. Er beobachtete Alisa, die noch immer von einer Seite auf die andere wechselte, um einen Blick in jede Schlucht und jeden Abgrund werfen zu können. Als sie sich ihm das nächste Mal zuwandte, erstarrte sie kurz, dann teilte ein breites Lächeln ihr Gesicht.
    »Hindrik, runter!« Sie hechtete sich neben ihn und drückte ihn mit ihrem Arm flach auf das Waggondach. Der Pfiff der Lokomotive schrillte durch die Nacht, als sie in den Tunnel fuhren. Hand in Hand blieben sie liegen, bis sie den letzten Höhenzug hinter sich gelassen hatten und die Schienen sich nach Norden ins Tal neigten. Dann erst setzten sie sich wieder auf. Fast gleichzeitig zogen sie ihr Taschentuch hervor, um es dem anderen zu reichen. Sie fuhren sich über die Gesichter und starrten dann auf den vom Ruß verschmierten Stoff hinab. Alisa begann zu lachen.
    Hindrik fiel in ihr Lachen ein. »Ich fürchte, ich sehe genauso schlimm aus wie du. Was werden wir Heimkehrer aus dem fernen Rom für ein Bild abgeben, wenn wir in Hamburg vor dem großen Empfangskomitee aus unseren Kisten steigen?«
    »Ein würdevolles«, sagte Alisa trocken, »ganz in Schwarz!«
     

EPILOG
NEUE PLÄNE
     Er war schon da. Wie bei ihren vorherigen Treffen auch hatte er die Hutkrempe so tief ins Gesicht gezogen, dass sie seine Züge nicht erkennen konnte. Der altmodische Umhang mit den vielen Schultercapes verhüllte seine Gestalt, die jedoch außergewöhnlich groß sein musste.
    »Ich hoffe, Ihr bringt mir gute Nachrichten?« Seine Stimme rollte wie Donner durch ihren Leib und hallte in ihrem Geist wider. Die von Spitzenhandschuhen verhüllten Finger krampften sich um ihren zarten Fächer aus Schwanenhaut. Sie musste es nicht aussprechen. Er wusste es bereits, als der Gedanke sich in ihrem Kopf formte.
    »Nein, Ihr seid nicht gekommen, um mir das zu sagen, was ich hören will.«
    »Ich habe alles versucht«, verteidigte sie sich. Ihre Stimme klang selbst in ihren
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