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Nordseefluch: Kriminalroman

Nordseefluch: Kriminalroman

Titel: Nordseefluch: Kriminalroman
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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zu einer Wand zusammengeballt.
    Nur wenige Spaziergänger begegneten uns. Einige Lichter lagen vor uns in der Schwärze und ich wusste, dass dort das Loogdorf, eine Anhäufung einfacher und preiswerter Familienpensionen, lag.
    Der Wind hatte aufgebrist und strich kühlend über unsere Gesichter. Das Rauschen und Donnern der Wellen reizte meine Nerven und schürte meine düsteren Gedanken, in deren Mittelpunkt Manfred Kuhnert stand, den ich mit meiner überbordenden Fantasie bereits zu einer Bestie gestempelt hatte.
    Kriminalassistent Ekinger kannte den Weg. Er schritt tapsig neben mir her, wie es schien, ohne von trüben Gedanken geplagt zu werden. Er und der Kommissar gingen munter drauflos. Ekinger schwärmte plötzlich von einem überdimensionalen Bauernfrühstück. »So richtig mit Schinkenwürfeln und Spiegelei.«
    Ich dachte an das Verlobungsessen, und mir kam es vor, als hätten wir es vor Wochen eingenommen, so sehr war mein Zeitempfinden durch die Ereignisse gestört.
    Wir verließen den Dünenpfad. Ein schmaler Weg führte uns mitten in die Häuserzeilen.
    Nur vereinzelte Laternen warfen ihr Licht auf die mit roten Klinkersteinen gepflasterte Straße. Einige Fenster in den Häuserfronten waren noch erleuchtet.
    Kriminalassistent Ekinger blieb hin und wieder stehen, orientierte sich und führte uns ohne Umwege zum Reusenweg.
    Das Haus mit der Nummer 18 hatte einen kleinen Vorgarten. Der Architekt hatte die Quaderform gewählt, um viele Zimmer zu errichten, und selbst im Dach mit abgestuften Winkeln Raum gelassen. Hinter einzelnen Fenstern brannte Licht.
    Ein Plattenweg führte um den Backsteinblock. Ein kleiner Anbau saß eingepfercht zwischen Garten und Geräteschuppen, Komposthaufen und Müllcontainer. Uns blieb gerade noch genügend Platz, die Tür des Anbaus zu erreichen.
    Ein flacher Streifen Licht fiel aus einer verschmutzten Außenleuchte. Kommissar Pietsch schaute uns an, gab sich dann einen Ruck und öffnete die Tür.
    Ein abgestandener Dunst aus Alkohol und schalem Zigarettenrauch schlug uns entgegen. Durch ein fast blindes Oberfenster drang nur wenig Licht.
    Pietsch trat ein. Der Korridor lag im Halbdunkel. Der weiße Kittel am Garderobenhaken bestätigte, dass Manfred Kuhnert hier wohnte. Die Tür zum Zimmer stand halb offen und unsere Blicke konnten den dunklen Spalt nicht durchdringen.
    Kommissar Pietsch schob die Tür weit auf, fand seitlich einen Lichtschalter und drückte ihn.
    Die kalte Helligkeit und das, was sie der Dunkelheit entriss, traf mich wie ein Schlag.
    Auf dem Boden lagen benutzte Handtücher. Getragene Wäsche quoll aus Plastiktüten. Mein Blick folgte einer Sandspur, die zu einem Bett führte, auf dem Manfred Kuhnert in Jeans und verschwitzte T-Shirt lag.
    Er schlief auf dem Rücken. Ich vernahm seinen heftig gehenden Atem und schaute verwundert auf die kleine weiße Plüschhandtasche mit dem rosafarbenen Henkel, die seine kräftige Faust im Schlaf umfasste. Auf einem kleinen Tisch standen geleerte Schnapsflaschen, und ich dachte entsetzt, wenn er den Inhalt der ganzen Batterie ausgetrunken hat, dann träumt er sich in den Tod!
    Kommissar Pietsch schritt leise um das Bett, suchte den Boden ab und hob verwundert einen MP3-Player mit daran hängenden Kopfhörern auf.
    Kriminalassistent Ekinger setzte sich auf die Bettkante. Ich beobachtete, wie sich die Matratze wie ein überladenes Fahrzeug senkte. Er schüttelte das Handgelenk des Jungen und rief: »Manfred! Steh auf!«
    Mein ehemaliger Schüler öffnete die Augen. Sie waren glasig und weit. Erschrocken fuhr er hoch, führte seinen Ellbogen über das Gesicht, schaute sich um und stierte auf die kleine Handtasche, als frage er sich, wie auch wir, wie sie in seine Hand gelangt sein konnte.
    Mehr als zwanzig Dienstjahre lagen hinter mir. Der Umgang mit jungen Menschen war bei mir zur Routine erstarrt. Deshalb werde ich nie vergessen, wie Manfred Kuhnert in eine für ihn anklagenden Wirklichkeit zurückfand.
    Kriminalassistent Ekinger fragte mit ruhiger Stimme: »Manfred, hast du einen über den Durst getrunken?«
    Mein Schüler hörte nicht hin, nahm von uns keine Notiz.
    Plötzlich bewegte er die kleine Plüschhandtasche hin und her und grinste, als sei er ohne Verstand.
    »Goldfasan!«, stotterte er.
    Mir wurde übel. Mitleid, tiefe Abscheu und bodenlose Angst vor Kräften, die mir unerklärlich waren, überfielen mich. Es gibt also vom Teufel besessene Menschen, interpretierte mein überhitztes Hirn.
    »Manfred, wir wollen dir
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