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Nordseefluch: Kriminalroman

Nordseefluch: Kriminalroman

Titel: Nordseefluch: Kriminalroman
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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bekämpfen und auszurotten«, sagte ich und kam mir dabei albern vor, denn schließlich stand ich nicht vor einer Klasse voller Halbwüchsiger.
    Ich war froh, dass der Kommissar nicht antwortete. Manfred Kuhnert schlich sich in meine Fantasiebilder. Ich sah ihn vor mir, mit seinem schütteren Bart, auflehnend aber höflich. Ausrotten, dachte ich?
    Vor mir erschien ein belastendes Fragezeichen. Wer ist Manfred Kuhnert eigentlich? Hatte ich ihn je gekannt?
    Das Strandschlösschen spendete friedliches Licht. Zu meiner Überraschung eilte die Bedienung trotz der späten Stunde mit vollen Tabletts an besetzte Tische. Ich sah auf Anhieb, dass sich Einheimische in ihrer Alltagskleidung nach der hoffnungslosen Suche zum Bier eingefunden hatten.
    Wir schlängelten uns an den Tischen vorbei, dem Geschäftsführer entgegen. Satzfetzen drangen zu uns, denn die Gäste hatten sich zum späten Umtrunk entschlossen, um ihre Empörung herunterzuspülen. Ich vernahm, wie eine Frauenstimme geifernd von der Todesstrafe sprach. Vom Nachbartisch vernahm ich: »Schule, Laschheit der Lehrer …«
    Nie vorher hatten sie diese Themen so verbissen diskutiert. Der Schock, den das ermordete Mädchen hinterlassen hatte, machte sie betroffen. Dabei vergaßen sie, dass auch einige von ihnen mit ihren überhöhten Preisen vielen Familien Erholung und Entspannung versagten und damit Kinder wie Manfred Kuhnert von denen isolierten, die zulangen durften.
    Dem Geschäftsführer war es peinlich, dass der Tod der jungen Marion während der Nachtstunden seinen Umsatz explosionsartig hochtrieb.
    »Ach, Herr Kommissar. Die Eltern erwarten Sie in ihrem Zimmer. Nummer 308, dritte Etage. Nehmen Sie den Aufzug.«
    »Bis morgen«, sagte Kommissar Pietsch.
    Ekinger klopfte mir auf die Schulter. »Wir sehen uns noch.«
    Ich blickte beiden nach, entschloss mich dann, meinen Vetter Hannes in der Bar aufzusuchen.
    Sie lag im Knick auf dem Weg zu den Toiletten. Das Deckenlicht fiel matt auf den Tresen. An der Wand standen auf Regalen Flaschen in allen denkbaren Formen mit verlockenden Etiketten auf ihren Bäuchen unter einer rosafarbenen Neonleuchte.
    Nur mein Vetter saß verlassen auf einem Barhocker. Er freute sich, als ich mich zu ihm setzte.
    »Endlich«, sagte er und klopfte mit seinem dicken Siegelring auf die Theke. Nur ein leeres Bierglas stand vor ihm. Er hatte auf Schnäpse verzichtet.
    »Der Kellner bedient hier«, sagte er.
    Der Ober lugte über die halbhohe Trennmauer, die den Blick in das Restaurant offen ließ.
    »Vier große Bier«, bestellte Hannes, und ich sah seinem missmutigen Gesicht an, dass er sich hier am Bartresen vernachlässigt gefühlt hatte.
    »Deine Familie schläft. Auch Evchen hat sich zurückgezogen«, sagte Hannes. »Nun berichte, habt ihr den Jungen überführt?«
    »Das schon«, antwortete ich und wunderte mich darüber, dass mir die innere Freude über den Erfolg fehlte. »Da gibt es nichts mehr zu deuteln«, fuhr ich fort, »er lag völlig betrunken in der Kiste, pennte und hatte Sachen der Kleinen im Zimmer.«
    »Dann gratuliere ich«, meinte mein Vetter und schaute mich an. »Jupp, ich habe Durst. Zieh nicht so ein Gesicht. Mich trieben keine Siegesfreuden zum Trunk. Nein, im Gegenteil, mir tat Manfred Kuhnert plötzlich sehr, sehr leid.«
    Der Ober brachte die Biere, stellte sie wortlos vor uns ab und verschwand. Gierig trank ich und wollte all das loswerden, was sich in nur wenigen Stunden abgespielt hatte, als plötzlich ein kleiner Mann, als hätte ein Magier ihn aus einem Zylinder gezaubert, an uns vorbeitänzelte.
    »Ein Mord! Ein Mann! Eine Droschke! Unheimlich!«, rief er irr. Er hielt ein Pepitahütchen in der Hand. Sein Blouson irritierte mich, da er, was Schnitt und Stoff anbelangte, modisch Spitze sein musste. So, als führe das Strandschlösschen eine Komödie auf, erschien eine alte, breit gewachsene Frau. Sie hielt einen Regenschirm in der erhobenen Hand, rannte an uns vorbei und rief: »Du geiler Bock! In den Dünen warst du!«
    Ich setzte das Bierglas ab, schaute Hannes an, der sich köstlich amüsierte. Er gackerte, hielt sich den Bauch fest, während Lachtränen über sein dickes Bäckergesicht liefen.
    »Der hat bestimmt mein Schwarzbrot gegessen, hahaha«, sagte er glucksend, »daher hat er die Energie.«
    Mir war nicht nach Späßen zumute. Hannes sagte vulgär in seinem rheinländischen Tonfall: »Ich könnte mich bepissen vor Lachen!«
    Ich eilte in das Restaurant.
    Der Zwerg im Modeblouson wurde ernst
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