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Nordseefluch: Kriminalroman

Nordseefluch: Kriminalroman

Titel: Nordseefluch: Kriminalroman
Autoren: Theodor J. Reisdorf
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unter Kontrolle zu halten.
    »Ja, und weiter?«, fragte der Kriminalbeamte, der in meinem Alter war.
    »Kommissar, das auch. Aber nicht zu Ende geführt. Nur ein Versuch.«
    »Ich verstehe, das bekommen wir genauer«, antwortete der Kommissar. Zu meiner Überraschung fanden sich die ersten Neugierigen mit Fahrrädern ein. Die kleine Gasse zum Hof füllte sich.
    »Mehr Licht«, forderte der korpulente Beamte und schob die Beobachter beiseite. »Halten Sie die Neugierigen fern! Wir benötigen einen Fotografen!«, forderte er. Er öffnete seine Tasche, entnahm ihr Farbe und kleine Fähnchen und grenzte die Leiche ein.
    »Wer hat Hauptwachtmeister Fisser angerufen?«, fragte der Kriminalbeamte mit dem gewaltigen Schnurrbart.
    »Die Arzttochter, vermute ich. Aber ich habe sie dazu aufgefordert, denn mein Vetter, seine Verlobte und ich fanden das tote Mädchen«, antwortete ich.
    »Kommen Sie mit, denn hier stehen wir nur im Weg«, sagte er.
    Auf der Straße sperrten die Feuerwehrleute den Eingang zur Gasse ab.
    Ich sah den Neugierigen an, dass sie enttäuscht waren.
    Der Fotograf stürmte an uns vorbei. Ich spürte etwas Flaues im Magen. Mich packte eine Angst, als sei ich selbst der Mörder gewesen.
    »Manfred Kuhnert«, sagte ich mit trockenen Lippen.
    »Wer ist Manfred Kuhnert?«, fragte mich Kommissar Pietsch.
    Mein Vetter stützte mich, denn ich musste sehr weiß und käsig ausgesehen haben.
    »Kommissar, mein Vetter ist Lehrer. Wir feierten zusammen, denn ich habe mich mit Evi verlobt«, sagte er mit dem Singsang des rheinischen Tonfalls.
    »Rheinländer«, sagte der Kommissar, »ich habe viele Jahre in Düsseldorf gearbeitet und gelebt.«
    »Dann kennen Sie sicher meinen Werbespruch: ›Frühstücke gesund und kernig mit Roggenbrötchen von Wernig‹.« Dabei lachte mein Vetter, als hätte er bereits das tragische Geschehen vergessen.
    Evi schien sich zu schämen.
    »Ich habe Ihre Produkte sehr geschätzt und bin neugierig auf die Zufälle, die uns heute zusammenführen. Gehen wir«, sagte der Kommissar.
    Die Marktstraße belebte sich. In Scharen strömten uns Menschen entgegen, die nur ein Ziel kannten. Es war der Hof des See-Shops. Das flackernde Blaulicht des Feuerwehrwagens zog sie magisch an. So, als versammelten sie sich zu einer Protestdemonstration. Ihre Insel, Kleinod, anerkannter Kurort, Gesundheitsquelle für gut zahlende und verdienende Gäste, hatte einen Mord zu verkraften, der dem Ansehen der Insel schaden konnte.

3
    Ich berichtete dem Kommissar über meine Erlebnisse mit Manfred Kuhnert und wunderte mich selbst über meine Beharrlichkeit, mit der ich ihn verdächtigte.
    »Das sind zuerst einmal wertvolle Hinweise, denen wir nachgehen werden«, sagte Kommissar Pietsch und hörte zu, wie mein Vetter den Rest unserer Erlebnisse im Tonfall seiner Heimat von sich gab. Gelegentlich verfiel auch der Kommissar in die rheinische Mundart, die dem Gespräch den bedrückenden Ernst nahm.
    Wir hatten uns dem Strandschlösschen genähert. Gelbes Licht fiel aus den Fenstern der Backsteinfassade. Geschmiedete Eisenlaternen umstanden das Hotel. Sie kamen mir vor wie Kerzen vor einem Riesensarg.
    Ich hörte das Kreischen der Möwen und dachte an Totenvögel, die Unheil bringen. Selbst das Rauschen des Meeres empfand ich als bedrohlich und ich mied den Blick auf den Strand. In den Gesichtern der Angestellten las ich tiefe Trauer. Sie schlichen an uns vorbei und bedienten die wenigen Gäste, für die das Leben weiterging.
    Der Geschäftsführer kam uns entgegen. Er wirkte verlegen und wagte kaum zu sprechen.
    »Herr Kommissar, selbstverständlich steht Ihnen unser Konferenzzimmer ab sofort zur Verfügung. Ich führe Sie hin«, sagte er.
    Der olivgrüne Teppich federte unter unseren Schritten und schluckte die Geräusche. Nur das geschnitzte Holzgeländer der Treppe knackte. Sie war breit und führte im flachen Winkel hoch. An den Wänden hingen angestrahlte Ölgemälde, die den Frieden und die Schönheit der Natur, von Künstlern geschaffen, ins Haus brachten und den eiligen Gast aufforderten, die Stufen gemächlich zu nehmen.
    Kommissar Pietsch hatte das begriffen. Er zeigte keine Eile und schaute sich ständig um, als suchte er nach Beweisstücken, die er hier sicherlich nicht finden konnte.
    Das Konferenzzimmer lag am Ende eines Flurs, baulich abgesetzt, da seine Fenster einen ungünstigen Ausblick auf die Fassade eines Bankgebäudes boten. Elegant wie alles in diesem Haus, ja noch mehr, die Qualität der Möbel,
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