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Nora Morgenroth: Der Hüter

Nora Morgenroth: Der Hüter

Titel: Nora Morgenroth: Der Hüter
Autoren: Kerstin Michelsen
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einfach nur unglaublich leichtsinnig gewesen. Das würde mir nicht wieder passieren. Vielleicht, ganz vielleicht, hatte ich bald noch einen Grund mehr, besser auf mich zu achten.
    Ich griff nach dem Glas und wandte mich Oliver zu. Er lächelte. Wir prosteten uns zu, dann hob ich das Glas an die Lippen. Der erste Schluck war köstlich.
     

EPILOG
     
    Als Fritz Thönges die Schüsse hört, weiß er sofort Bescheid. Er erkennt den Knall unter tausenden.
    H ängt den Fuchs in den Baum, vielleicht kann er ihn sich später holen. Die Falle hat endlich zugeschnappt. Fuchs, du hast das Huhn geholt und jetzt bist du mausetot. Das hat er gedacht, als er das schöne Tier aus der Falle befreit. Stellt sich vor, dass er das Fell dem Tomi geben wird, weil der weiche Sachen doch so gern hat. Nur leider, jetzt braucht der Tomi wohl kein Fell mehr. Zu spät.
    Fritz sieht nichts von da, wo er steht, aber in seiner Brust ist es so leer, mit einem Mal. Da weiß er, jetzt bist du allein. Da beginnt er zu laufen. Schnell, schnell. Er kennt hier jeden Baum und jede Grube.
    Zum ersten Mal hat der Tomi den Fritz beschützt und nicht der Fritz den Tomi. Braver Tomi. Obwohl der doch gar nicht schießen kann. Hat immer nur gespielt und piff-paff gemacht. Wenn es knallt, kriecht der Tomi zu den Kaninchen. Wie der sich wohl erschrocken hat, als es losgegangen ist? Hat wohl die geladene Flinte gegriffen, die immer neben dem Bett steht.
    Braver, dummer Tomi.
    Auch wenn er seine andere Hälfte gewesen ist, Tomi ist doch wie ein kleiner Bruder. Der nichts versteht.
    Wenn Papa sagt, du kommst ins Loch, dann lacht der Tomi. Tomi ist dumm, sagt Papa, lass den in Ruh beim Vieh. Der braucht das, sagt Papa, bis es ihm zu viel wird mit dem Gefummel. Der Papa sagt: Fritz, mach es tot, und der Tomi weint.
    Er passt auf ihn auf, immer schon, aber w as sein muss, muss sein.
    Fritz ist nicht tot und nicht dumm.
    Z um ersten Mal in seinem ganzen Leben ist er allein. Sonst haben sie immer nur so tun müssen. Heute bist du der Tomi und morgen du. Keiner hat’s gewusst in der Deppenschule, so hat Papa immer gesagt. Geht keinen was an, was wir hier tun auf dem Thönges-Hof. Merk dir’s endlich, Saukerl. Manchmal weiß er selbst nicht mehr, wie er heißt. Tomifritztomifritztomi. Mal so, mal so.
    Jetzt haben alle beide die Augen zu. Mausetot. Papa. Tomi.
    Er fr agt sich, was aus den Kaninchen geworden ist. Er hat sich nicht wieder zum Hof gewagt. Noch nicht.
    Papa ist tot, der hat ihm nichts mehr zu sagen. Auch wieder gut.
    Das Dumme ist nur, dass er das immer wieder vergisst. Wenn der tot ist, warum schreit er dann noch so in der Nacht?
    Es ist nicht zu begreifen, denn: Wenn einer weiß, was tot sein bedeutet, dann er, Fritz.
    Tot ist tot, ist mausetot. Einmal die Kehle durchgeschnitten, sagt es keinen Pieps mehr.
    Bei Papa versucht er es, nur so zum Spaß, nachdem der umgefallen ist. Blutet dann gar nicht mehr. Trotzdem sieht er interessiert zu, wie der Skinner mühelos die Oberfläche durchtrennt. Dann fängt es an zu stinken und er trägt ihn hinaus und schaufelt ein Loch. Da hat er sehr gelacht, weil der Papa nun ins Loch muss und Tomi, der hat an der Grube gestanden und mitgelacht. Verstanden hat der es wohl nicht. Der freut sich nur, wenn alle fröhlich sind.
    Wer nicht hören will, muss ins Loch.
    Ja, Papa, da ist es jetzt wohl sehr dunkel drin.
    Fritz lacht noch eine Weile. Doch bald lacht er nicht mehr. Die Angst bleibt und Papas Stimme kommt jede Nacht. Lässt ihm keine Ruhe. Mach es tot. Mach es tot. Er schafft Papas Bett hinaus, in dem sie immer schlafen, er fährt in die große Stadt und kauft ihnen ein neues. Das lädt er auf den Pritschenwagen. Er kann gut fahren, Papa hat es ihm gezeigt. Zuhause baut er das neue Bett auf. Da freut er sich und Tomi auch und die Stimmen kommen nicht mehr jede Nacht. Nur noch manchmal. Und nur noch manchmal holt er die Messer heraus. Wenn Tomi den ganzen Tag im Stall gewesen ist, anstatt Holz zu hacken, wie er es ihm aufgetragen hat. Strafe muss sein und wer nicht hört, kommt ins Loch.
    Und dann k ommt die Frau mit dem Rucksack und fragt dumm nach dem Weg, als er den Rehbock nach Hause trägt.
    So eine aus der Stadt, das hat er gleich gesehen. Wie kann man sich im Wald verlaufen? Dümmer als das Vieh. Aber irgendwie schön. Er weiß, das wird dem Tomi gefallen. Der tote Papa in seinem Kopf sagt: Mach es hin, das dumme Viech, frisst uns nur das Haar vom Kopf.
    Die Rucksackfrau fragt, warum er das Tier getötet hat, ob
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