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Noch lange danach

Noch lange danach

Titel: Noch lange danach
Autoren: Gudrun Pausewang
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zu eng. Ein drittes ist bereits ganz verwaschen. Im Hochsommer muss man seine Oberteile ja schon nach einem Tag waschen, weil sie ganz verschwitzt sind. Bis das verwaschene wieder trocken ist, ziehe ich das zu enge an und lasse mich nach Möglichkeit nicht damit sehen.
    Das vierte hab ich schon oft flicken müssen. Zum Glück sieht man’s nicht so genau, weil der Stoff gemustert ist. Er reißt inzwischen bei jeder stärkeren Bewegung. Für dieses Stück brauche ich bald Ersatz. Aber dafür muss ich noch eine Weile sparen.
    Das ich gerade anhabe? Ja, das sieht gut aus und passt mir. Aber das gehört nicht mir, sondern der Schule. Immer, wenn ich so eine Gruppe wie euch herumführen und Fragen beantworten muss, ziehe ich mich vorher schnell um. Dafür hat die Schulleiterin gesorgt. Damit ich mich vor denen, die ich herumführe, nicht genieren muss.
    Papa? Er hat mich in seinem letzten Brief gefragt, ob ich mir was Bestimmtes zum Geburtstag wünsche. Ich wollte ihn zuerst um ein neues T-Shirt bitten. Aber ich bin davon abgekommen. Wer weiß, was er mir für eins schicken würde. Vielleicht mit einer Mickymaus vorn drauf. Oder mit einem blöden Spruch. Oder eins, das immer nach der Wäsche gebügelt werden muss. Oder das nicht richtig sitzt.
    Ich werde mir lieber Wolle wünschen. Dort kostet sie sicher nicht so viel wie hier. In Südchile gibt es ja so viele Schafherden. Aus der Wolle stricke ich mir eine Jacke. Denn im Winter friere ich oft so sehr – wenn es nicht nur draußen, sondern auch in der Wohnung kalt wird und Heizenergie gespart werden muss.
    Alternative Heizenergie? Davon haben wir inzwischen genug: Strom aus Windrädern, Talsperren, Brandungswellen, Solaranlagen. Sonnenenergie wird ja sogar in der Sahara erzeugt, wird in Strom umgewandelt und seit ein paar Jahren auch bis zu uns in den Norden geleitet. Aber der kostet! Elektrische Heizungen können sich nur wenige leisten.
    Ja, an die elektrische Leitung sind wir angeschlossen. Noch von früher. Aber ich heize nur, wenn es dringend nötig ist. Und dann erst einmal mit Holz. In dem alten Haus, in dem wir wohnen, gab es noch ein uraltes eisernes Öfchen. Darin verheize ich die trockenen Äste, die ich im Wald sammle. Solches Klaubholz kostet nichts. Meistens gehe ich sonntags in den Wald. Da begegne ich auch vielen anderen Holzsammlern. Wart ihr mal in einem unserer Wälder? Da findet man kaum noch einen Ast oder Zapfen. Wie leer gefegt!
    Wollen wir nun hinuntergehen?
    Es regnet noch immer? Ein richtiger Landregen.
    Landregen ist gut für die Kartoffeln. Hinter dem Haus, neben dem Gartengestrüpp, habe ich im letzten Frühjahr ein paar gesteckt. Wie man das macht, habe ich mir von einer alten Frau abgeguckt, die nicht weit von hier wohnt. Die ist bis zur Katastrophe auf einem Bauernhof aufgewachsen. Deshalb weiß sie noch, wie man Kartoffeln setzt. Demnächst werde ich Papa schreiben, dass Mama und ich in diesem Jahr eigene Kartoffeln essen werden. Ich bin mal gespannt, was er darauf antwortet.
    Auch Möhren habe ich gesät. Mal sehen, ob sie was werden. Und schon seit vergangenem Jahr essen wir eigenen Salat, eigenen Kohl, eigene Tomaten. Im nächsten Jahr will ich’s auch mit Kürbissen versuchen. Eine Nachbarin hat schon einige gezüchtet. Eindrucksvoll dicke. Sie will mir zeigen, wie man das macht.
    Petersilie und Schnittlauch? Habe ich auch. Diese Gewürzkräuter hat schon Omi angepflanzt, sobald wir in das alte Haus zogen. Auch Zwiebeln und Liebstöckel. Aber von Gartenarbeit verstehe ich inzwischen mehr als sie.
    Darauf bin ich richtig stolz!

14
    Mein Papa? Ingenieur. Spezialisiert auf Fotovoltaik. Er arbeitet für eine Firma in Punta Arenas, wohnt aber auf einer Schaffarm in der Nähe der Stadt. Dort, wo er als Schafscherer gearbeitet hat, als er illegal hinkam und noch kein Spanisch konnte. Seine Frau ist die Tochter des Farmers.
    Ja. Früher habe ich ihm immer nur auf seine Geburtstags- und Weihnachtsbriefe geantwortet. Nicht aus eigenem Willen, sondern weil Omi das so haben wollte. Für mich war er ja ein fremder Mann. Sie selber hat ihm oft geschrieben und über mich und Mama berichtet. Seit sie nicht mehr ist, schreibe ich ihm. Von Brief zu Brief wird er mir vertrauter. Ich schreibe ihm inzwischen öfter als er mir. Aber er ist ja auch nicht so allein wie ich. Wahrscheinlich hat er viel zu tun, in seinem Betrieb und auch zu Hause. Er hilft auch noch immer auf der Schaffarm mit. Trotzdem schreibt er mir.
    Seine Firma? Ich glaube, die baut vor
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