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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht
Autoren: Fabio Volo
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Monate darüber nachgedacht und auch mit Silvia darüber gesprochen. Sagen wir so, du bist die einzige Frau, mit der ich mir das überhaupt vorstellen könnte. Ich weiß nur nicht, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist.« Nach einer Pause fügte ich hinzu: »Ich habe dir ja die Geschichte von Silvia und Carlo erzählt. Wenn Margherita nicht wäre, hätte Silvia sich schon längst getrennt. Vielleicht ist es das, was mich abschreckt. Ich möchte nicht, dass ein Kind zur Fessel wird.«
    »Für deine Freundin ist nicht Margherita das Problem, sondern ihr Mann. Sie muss eine Entscheidung treffen, ohne mit ihm darüber diskutieren zu können. Das habe ich dir doch damals in der Badewanne erklärt, erinnerst du dich?«
    »Natürlich erinnere ich mich.«
    »Da geht es um Mut. Offensichtlich ist Carlo so unreif, dass er zu feige ist, Verantwortung zu übernehmen. Wie übrigens die meisten Männer. Weißt du, was er eigentlich tun müsste?«
    »Was denn?«
    »Sie auffordern zu gehen, weil er es nicht mehr aushält, mit einer Frau zusammenzuleben, die nicht mehr mit ihm zusammen sein will. Das wäre ein echter Liebesbeweis. Doch er beteuert weiterhin seine Liebe und stellt bei jeder Gelegenheit das Gegenteil unter Beweis.«
    »Vielleicht hat er gar nicht kapiert, dass sie ihn nicht mehr liebt, obwohl Silvia es ihm wiederholt gesagt hat.«
    »Ich halte es durchaus für möglich, dass ein Mensch dich liebt und du es gar nicht merkst. Aber wenn eine, die dich geliebt hat, dich plötzlich nicht mehr liebt, das merkst du auf jeden Fall. Meist jedoch wird das Thema gemieden, weil andere Dynamiken mit hineinspielen, wie die Schwierigkeit, zu verlassen oder verlassen zu werden, das Gefühl, versagt zu haben, der Wunsch, vor der Familie und den Freunden das Gesicht zu wahren. Und der Egoismus. Genau das ist einer meiner früheren Kolleginnen in Italien passiert. Nur dass sie, anstatt sich von ihrem Mann zu trennen, ein Verhält-nis mit einem Kollegen angefangen hat. Man weiß ja, wie das läuft, wenn eine Frau sich vernachlässigt fühlt, dann reichen ein Blick und ein paar nette Worte von einem anderen, und schon fängt sie Feuer. Irgendwann kam alles heraus, und in Nullkommanichts wurde eine vernachlässigte Frau zur Hure abgestempelt, die mit anderen vögelt, während er, der Ärmste, sich den ganzen Tag krummlegt. Ein Klassiker.«
    Als wir so im Bett lagen und ich Michela zuhörte, ging mir langsam auf, was sie an jenem Tag in der Badewanne wirklich gemeint hatte.
    Seit ich zu ihr gesagt hatte, dass ich mir zwar vorstellen könne, mit ihr ein Kind zu machen, aber nicht wüsste wann, hatte ich das Gefühl, dass sie irgendwie anders war. So als hätte ihr diese Antwort nicht gefallen. Aber gesagt hat sie nichts, vielleicht war es auch nur mein Eindruck.
    Samstagabend, bevor wir zum Essen gingen, gab ich ihr das Geschenk, das ich für sie gekauft hatte. In dem Päckchen waren ein Adapter für Elektrostecker und eine Metallhalterung für den Gasherd, damit man die Espressokanne aufsetzen kann. In meinen Augen waren diese beiden Teile das perfekte Symbol für unsere Beziehung, denn sie wurden erfunden, um zwei verschiedene Größen in Einklang zu bringen. Und genau das hatte Michela geschafft, mit ihrem Spiel hatte sie uns beide in Einklang gebracht. Dann gingen wir ins Dallas BBQ , Ecke 23rd Street und 8th Avenue, um die berühmten Spare ribs zu essen. Ein vollkommen nichtssagender Laden, wo sie besagte Rippchen mit viel Sauce, einer Backkartoffel und einer Scheibe corn cake servieren. Eine ziemlich schwerverdauliche Angelegenheit, was sich auch daran ablesen lässt, dass wir an diesem Abend sehr spät einschliefen. An unserem ersten Abend hatten wir Hamburger gegessen, zum Abschied wollten wir im selben Genre bleiben. Es war lustig, die Leute zu beobachten. Eine surreale Situation. Ganze Familien feierten irgendwas und tranken Margaritas aus riesigen, bunten Pappbechern. Es war bei diesem Feinschmeckermahl, dass ich Michela die Frage stellte, was nun aus uns werden sollte. Wieder waren wir an demselben Punkt angelangt wie damals, als wir am Hudson saßen.
    »Ich will nicht noch einmal so leiden wie in den letzten Wochen. Wenn wir zusammenbleiben wollen, dann müssen wir grundlegend etwas ändern. Wenn wir so leben wie bisher, klappt das nicht, das wissen wir. Deshalb glaube ich, es ist besser, wenn wir uns nicht mehr sehen.«
    »Aber wenn ich mal wieder in New York bin, darf ich dich dann anrufen?« Etwas Idiotischeres hätte ich nicht
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