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Noch ein Tag und eine Nacht

Noch ein Tag und eine Nacht

Titel: Noch ein Tag und eine Nacht
Autoren: Fabio Volo
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Schuld, denn aus lauter Angst, was dabei herauskommen könnte, wollte ich von meinen eigenen Wünschen lieber gar nichts wissen. Aber jetzt bin ich fest entschlossen, meinen Weg zu gehen, was immer dabei herauskommen mag. Vielleicht ein ganz schönes Chaos. Aber ich fühle mich endlich wieder frei, und das ist ein wunderbares Gefühl.«
    An diesem Abend wurde mir klar, warum ich so gern mit Michela zusammen gewesen war. Als ich nach Hause kam, lief im Radio gerade Poles Apart von Pink Floyd, dasselbe Album wie damals, als Michela und ich zum ersten Mal miteinander schliefen. Mein Leben war voller Zeichen. Jeden Tag aufs Neue. Als ich diese Musik hörte, wusste ich plötzlich, dass ich mir dieses verpasste Stück Leben nicht entgehen lassen durfte. Wenn es mir schon beim ersten Mal, als ich nur zehn Minuten mit ihr gesprochen hatte, nicht gelungen war, sie zu vergessen, wie sollte ich es jetzt schaffen, da ich sie kennengelernt, ihren Duft eingeatmet, sie erlebt hatte? Da ich wusste, wie sie wirklich war und wie sehr ich das Zusammensein mit ihr genoss? Denn sie war die Tür, die ich endlich aufgestoßen hatte und die ich nun nie wieder schließen wollte. Auch wenn es nur ein Tag war, der mir noch zustand, ich würde ihn nachholen. Nur ein Tag, das war mir klar, aber es war ein Tag mit Michela. Ein Tag und eine Nacht. Vierundzwanzig Stunden, um ich selbst zu sein.

Man selbst sein
    Diesmal jedoch erkundigte ich mich vorher, ob sie auch wirklich da war. Das Risiko, extra nach New York zu fliegen und sie dann womöglich nicht anzutreffen, war mir einfach zu groß. Ich rief in ihrem Büro an, gab mich als Kunde aus und machte einen Termin für Freitag, 17   Uhr, aus. Jetzt hatte sie eine Verabredung mit mir, ohne es zu wissen. Ich flog am Freitag los und war um 14   Uhr in Manhattan. Den Rückflug hatte ich für Dienstag gebucht. Eigentlich Wahnsinn, aber inzwischen war mir das egal. Mittwoch würde ich wieder zur Arbeit gehen. Beim Abflug hatte ich ganz schön Schiss. Wenn sie sich nun gar nicht freute, mich zu sehen? Vielleicht hatte sie ja schon einen anderen, womöglich auch auf Zeit, oder es passte ihr aus anderen Gründen nicht in den Kram.
    Um fünf stand ich vor ihrem Büro. Als sie die Tür aufmachte und mich sah, blieb ihr einen Augenblick die Luft weg. Sie machte ein unbeschreibliches Gesicht. Dann schloss sie rasch die Tür, drückte mich so überschwenglich, als wäre ich gerade heil aus einem Krieg zurückgekommen, und küsste mich. So etwas hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt, ich war überglücklich. Allein dafür, so denke ich noch heute, hatte sich der Aufwand schon gelohnt.
    Sie war völlig aufgelöst, tränenüberströmt stand sie vor mir, und als ich ihr Gesicht streichelte, bekam ich nasse Hände. Schweigend küssten und umarmten wir uns, stammelten ein paar Worte, dann verließen wir das Büro. Ich war ihr letzter Termin. Wieder gingen wir ins Doma, wo ich beim ersten Mal auf sie gewartet hatte.
    »Ich bin gekommen, um den Tag nachzuholen, der mir noch zusteht.«
    »Ich habe mich so nach dir gesehnt. Ich habe so gehofft, dass du kommst.«
    »Unsere ganze Beziehung besteht aus Warten, seit wir uns kennen.«
    »Wie lange bleibst du?«
    »Bis Dienstag. Länger kann ich nicht. Außerdem wusste ich ja nicht, wie du reagieren würdest. Aber ich habe einfach gehofft, dass ich mehr als den einen Tag mit dir verbringen kann, der uns noch zusteht.«
    »Sonntagabend muss ich nach Boston, das kann ich nicht verschieben.«
    »Immerhin ein Tag mehr als geplant, wenn auch ein Tag weniger als erhofft.«
    Von Freitag bis Sonntagabend waren wir ununterbrochen zusammen. Mein Hotelzimmer sagte ich ab und wohnte bei ihr. Die Wohnung, das Bett, das Bad, das alles wiederzusehen machte mich froh. Wir waren glücklich, wieder zusammen zu sein. Neben der Stereoanlage in der Küche standen noch die CD s, die ich gekauft hatte, darunter auch unsere Hochzeits- CD . Schnell wurde uns klar, dass es dumm gewesen wäre, nach einer Erklärung für den Zauber unserer Begegnung zu suchen. Es galt der berühmte Satz: »Im Leben ist nicht wichtig, was einem widerfährt, sondern was man daraus macht.«
    Das Absurdeste stand uns jedoch noch bevor. Wieder so eine von Michelas Ideen.
    Am ersten Abend liebten wir uns ausgiebig; danach fragte mich Michela: »Würdest du mit mir ein Kind machen?«
    »Meinst du das ernst?«
    »Ja.«
    Die erste weibliche Schwäche, seit ich sie kannte, dachte ich.
    »Ich habe die letzten zwei
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