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Nizza - mon amour (German Edition)

Nizza - mon amour (German Edition)

Titel: Nizza - mon amour (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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rasselnd ausgespien hatte, die sich unmittelbar nach dem Reichstagsbrand retten konnten: Walter Hasenclever in Le Lavandou und später in Cagnes-sur-Mer, Heinrich Mann in Nizza, Alfred Döblin im Zickzack quer durch Frankreich, per Bahn, Bus und Auto, auf der Suche nach seiner Frau; es war erst der Beginn einer langen Irrfahrt. Noch glaubten die meisten antifaschistischen Schriftsteller an ein rasches Ende des Hitler-Spuks, wähnten sich in einem unselig verlängerten Urlaub von der Heimat, doch von überschaubarer Frist. Manche – wie Brecht oder Thomas Mann – hatten wenigstens einen Teil ihres Vermögens außerhalb Deutschlands deponiert. Etlichen – wie Kurt Pinthus – gelang es, Bibliothek oder Manuskripte aus den verlassenen Häusern in Berlin oder München zu holen. Walter Hasenclever, unter Anspielung auf eines seiner erfolgreichsten Stücke, »Ein besserer Herr«, schilderte seine Situation in Cagnes-sur-Mer »mit Haus, Garten, Gemüse, Tieren, Garage, Auto in der herrlichen Landschaft« als relativ behaglich, wo er »nebst Weib mit 75 Dollar im Monat ›als besserer Herr‹ existieren kann – für welchen Betrag mir in Amerika die Bademantelschnur des armen Toller winken würde«.
    Die Côte d’Azur war während der Hitler-Zeit ein großer Wartesaal, und niemand wußte: Werden Züge kommen oder gehen, zurückfahren oder fortführen; oder wird es ein mächtiger Sackbahnhof sein. Hauptstation war dieses Sanary-sur-Mer, wo man noch heute auf Schritt und Tritt die Spuren dieser intellektuellen Elite finden kann. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit nicht nur die Häuser von Feuchtwanger, Werfel, Thomas Mann besichtigt, sondern sogar Gärtner, Dienstboten, den Fleischer und den Bäcker sprechen können, die sich ihrer noch erinnerten.
    Es saßen in den beiden kleinen Cafés am winzigen Hafen – mal vorübergehend, mal für Monate; manch einer für Jahre – René Schickele und Fritzi Massary, Thomas Mann und Arnold Zweig, Erwin Piscator und Alfred Kerr, Franz Werfel und Friedrich Wolf, Heinrich Mann, Bertolt Brecht und Ernst Toller. Der Kramladen, als wolle er ein Motto für das Miteinander so heterogener Geister geben, hieß »L’agréable et l’utile« (das Angenehme und das Nützliche). Die Wirklichkeit war das mickrige Gärtnerhäuschen mit Abort unter einem Ölbaum, die Fischerhose und Espadrilles die einzige Bekleidung der deutschen Mittellosen. Der »König« von Sanary hatte ein paar Hosen mehr: Lion Feuchtwanger.
    Die Villa Lazare, in der die Feuchtwangers anfangs Unterschlupf fanden, war keineswegs das, was man in Deutschland eine »Villa« nennt, sondern eine Küche, drei kleine Zimmer, keine Heizung, ein paar Matratzen, wacklig zusammengeleimte Stühle und eine Platte auf Holzgestellen als Arbeitstisch – so begann es; der Duft von Rosmarin, Salbei und Thymian mußte wohl für den gewohnten Grunewald-Komfort entschädigen. Von dem geblieben war lediglich der morgendliche Dauerlauf, dreißig Runden ums Haus, »angefeuert und kontrolliert von Frau Marta«, wie der nebenan in einem Pinienwäldchen wohnende Aldous Huxley amüsiert durch ein Fernrohr beobachtete. Dessen Telefonanschluß rettete übrigens Frau Feuchtwanger das Leben: Zu einem Besuch hatten Marta und Lion in ihrem Renault Bertolt Brecht und Arnold Zweig von der Bahn abgeholt, und als die drei auf den Klippen das Meer anschauten, rollte der schlecht gesicherte Wagen von hinten auf sie zu; wäre Frau Feuchtwanger nicht aufs Trittbrett gesprungen und hätte durchs Wagenfenster das Lenkrad herumgerissen – drei bedeutende deutsche Schriftsteller wären in den Abgrund gerissen worden. Der Wagen aber überschlug sich, verletzte Marta Feuchtwanger schwer. Der ehemalige Medizinstudent Brecht band ihr mit seinem Gürtel das gebrochene Bein ab, und mit Huxleys Telefon konnte eine Ambulanz gerufen werden.
    Erst das zweite Haus, die Villa Valmer, wurde das »prächtige Nest«, wie Freunde es tauften und das Marta Feuchtwanger liebevoll beschrieb: »Ein Haus mit drei Stockwerken und einer wunderbaren Aussicht übers Meer und die Inseln. Es war auf einem Hügel gelegen und hatte einen großen Garten mit Feigenbäumen, anderen Obstbäumen und vielen Ranken und Rosen – ein richtiger französischer Rosengarten, wie von Renoir gemalt. Und es gab eine große Terrasse, eingehüllt von Bougainvilien. Ich mietete das ganze Haus. Im ersten Stock befanden sich nur das Arbeitszimmer und die Bibliothek – Lion hatte sofort angefangen, mit den neuen
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