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Nizza - mon amour (German Edition)

Nizza - mon amour (German Edition)

Titel: Nizza - mon amour (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Chefredakteurs von Le Monde, sondern darum, ob der alte Peugeot es noch ein weiteres Jahr macht, wann das Enkelkind zur École maternelle kommt und daß die Miete viel zu hoch ist. Nichts ist grob, nichts ist ordinär. Weit weg die Hotel-Safes, die kaum noch die Koffer der Brillantuhren-Russen voll Hunderttausender von Dollar fassen können (wie bekommt man so einen Koffer eigentlich durch den Zoll?). Weit weg auch der Klatsch, man habe Eliette Karajan eine große Louis-Vuitton-Tasche voller Diamanten vom Schoß gerissen, als der Rolls-Royce nur für Minuten hielt, weil eine Freundin schnell die Abendzeitung am Kiosk holen wollte. Mag sein, das ist eine bösartige Anekdote wie die vom perfekt-lautlosen Einbruch auf dem Riesenbesitz der Familie Klatten in Antibes: Während die BMW -Milliardäre weit hinten im Park déjeunierten, sei der Safe ausgeraubt worden. Wenn das alles auch nur lecker aufgebauschte Illustriertenstories sein mögen – ungefährlich leben die von Videokameras und Bodyguards mit Hunden bewachten Reichen nicht. Leicht gruselig ist Nizza schon, dessen Morgenzeitung einen Stadtplan abdruckte, auf dem accuratissime die Straßenstrich-Bezirke eingezeichnet waren, je nach Geschmacksrichtung säuberlich sortiert – hier die bulgarischen Strichjungen, dort die afghanischen Mädchen. So ist Nizza auch ein großes Haus, in dem sich’s leben läßt: mit parkähnlichen Gartenanlagen – einer der schönsten die Place Alsace Lorraine –; mit Eßzimmer, gelegentlich von einem Sternekoch versorgt; mit Spielzimmer namens Casino; mit Gästen – 1890 kamen bereits 22000, im Jahr 1910 waren es dann bereits 150000; und mit rauchig-anrüchigen Ecken. »Mais Nice – c’est Chicago«, sagte der Hausmeister, als meiner Putzfrau das Moped geklaut wurde; und der Kollege Klaus Harpprecht fragte warnend-verwundert, als ich ihm erzählte, ich lebte winters seit Jahren in Nizza: »Aber Raddatz – das ist doch sehr gefährlich, oder?« Zeitungsberichte über Kuppelei in einem kleinen Hotel lesen sich eher rührend, der von der Yacht eines Scheichs gestohlene Picasso ist dann schon für ein Hollywood-Drehbuch geeignet. Wie man weiß, wurde Graham Greene, seit vielen Jahren in Antibes wohnend, seines Lebens nicht mehr froh, nachdem er in einem Kolportageroman die mafiosen Strukturen (zumal der Behörden) präzise geschildert hatte.
    Nun bin ich nicht auf der Welt, um über das schreckliche Schicksal der armen Reichen nachts in meine Kissen zu schluchzen. Man kann – kurzfristig – diese Karl-Lagerfeld-Welt (»Oh, I love Karl, he is so wonderful«) auch komisch finden. Der Zufall und Inge Feltrinelli, immer freundschaftlich bereit, Verbindungen zu knüpfen, wollten es, daß ich für zwei »Saisons« in diese Society geriet. Der Tatort: ein prachtvoller Besitz in Èze-Bord de Mer (also nicht oben in Èze-Village, wo auf der Bergkuppel ein Luxushotel liegt), der einer italienischen Marquesa gehört, eine eigene vorgelagerte Insel für den Pool inklusive. Es war ein ganz kleines Déjeuner für nur 40 Personen, die mit kostbaren Antiquitäten möblierten Räume durch schwere Portieren abgedunkelt und vor der Sonne geschützt; man lebt an der Küste der Sonne, um eben diese zu meiden – schlecht für den Teint. Im Zeitraffer wiedergegeben verliefen die mehrsprachigen Gespräche etwa so:
    »Ich hatte Sorge, zu spät zu kommen, es gab einen langen Stau, und ich kannte die Einfahrt der Privatstraße zur Villa nicht.«
    »Ach, Sie sind mit dem Wagen hier? Das hätten Sie nicht tun sollen – wir kommen immer mit unserer Yacht.«
    »Sie sind Schriftsteller? Was schreiben Sie denn so?«
    »Romane, Biographien, Essays.«
    »Interesting« (was, wie man weiß, soviel heißt wie: sterbenslangweilig).
    »Wir haben dieser Tage auf ARTE das Porträt eines deutschen Romanciers gesehen – den Namen haben wir vergessen.«
    »Siegfried Lenz?«
    »Exact, est-ce qu’il est bon? Et fameux?«
    »Oui, Madame.«
    »Et vous – vous travaillez vraiment chaque jour, toute l’année?«
    »Oui, Madame.«
    »Formidable« (was, wie man weiß, übersetzt heißt: Das interessiert hier keinen Menschen).
    »Et Thomas Mann, vous l’aimez?«
    »Ja, Monsieur, sehr. Ich habe gerade dieser Tage das Grab seines Sohnes in Cannes besucht. Er beging dort Selbstmord.«
    »How terrible. Why did he do that? I know the movie he made with Marlene Dietrich.«
    »I’m very sorry to be impolite, but the movie was made after a novel of Thomas Mann’s brother Heinrich
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