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Nizza - mon amour (German Edition)

Nizza - mon amour (German Edition)

Titel: Nizza - mon amour (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Mann, and it was another famous German author, Carl Zuckmayer, who did the script.«
    »Oh.«
    »Et vous – qu’est-ce que vous faites comme profession?«
    »Je m’occupe de la fortune de notre famille. C’est pourquoi j’habite à Londres et parfois à Francfort.«
    »Dann können wir ja deutsch reden. Wissen Sie, apropos Klaus Mann, den die Dame eben erwähnte – Anfang der 30er Jahre lebten viele Antinazi-Emigranten in Südfrankreich, allein in Nizza die Autoren Joseph Roth, Heinrich Mann, Walter Hasenclever, Hermann Kesten, René Schickele, Schalom Ash. Man kann heute noch die Gedenktafel für den berühmten Journalisten Theodor Wolff sehen, auch er Emigrant in Nizza. Er wurde von der Gestapo verschleppt und ins KZ Sachsenhausen verbracht. In Sanary-sur-Mer gab es eine ganze Kolonie von Berühmtheiten – Thomas Mann, Franz Werfel, Lion Feuchtwanger.«
    »Interesting.«
    Der junge Mann, dessen Beruf es war, das Familienvermögen zu verwalten, war degoutiert. Ich hatte die Regeln des französischen Salons verletzt, ich hatte drei zusammenhängende Sätze gesprochen. Der behendere Fisch im Aquarium war der Fotograf Helmut Newton, mein Tischnachbar. Als dessen Tischdame herausgefunden hatte, daß sie neben einer Berühmtheit saß und ihn in ihr Haus – »gleich gegenüber, wir haben ein großes Anwesen auf Cap Ferrat« – einladen wollte, sagte dieser mit eisiger Höflichkeit: »Thank you so much – but I am a one-lunch-stand.«
    Die Dame des Hauses – ich besuchte sie noch einige Male –, stets mit elegantem Understatement ohne Schmuck gekleidet, hatte sich allen Ernstes die englische Ausgabe meiner Marx-Biographie besorgt und das Buch für »fascinating« befunden. Und sie hatte Stil. Während eines großen Diners mit diesmal ca. 100 Gästen aß sie keinen Bissen, trank keinen einzigen Schluck – und war noch selbige Nacht tot.
    Nun hatte ich aber den smarten jungen Mann, dessen Beruf es war, das Familienvermögen zu verwalten, mit meinen paar trotzig hingeworfenen Brocken doch arg gelangweilt. Doch langweilig ist weder das Gedächtnis noch die Erinnerung; letzteres ein intransitiver wie transitiver Begriff – man kann sich selbst erinnern, und man kann andere an etwas erinnern. Deshalb erlaube ich mir, der ich ja kein Reiseführer-Autor bin, sondern Schriftsteller mit Gedächtnis und voll von Erinnerung, hier einen sehr weit ausschlagenden Fächer zu entfalten – einen Bogen um Nizza, geschätzte 150 Kilometer weit, bis Sanary-sur-Mer eben, um an ein Stück deutscher Geschichte zu erinnern, die zugleich Teil der deutschen Literaturgeschichte ist. Dieses ist mitzudenken, wenn wir »Côte d’Azur« hören, lesen, denken, schreiben.
    »Verstehen Sie doch endlich dort an Ihrem lateinischen Meer, daß es sich bei den Vorgängen in Deutschland gar nicht um politische Kniffe handelt, die man in der bekannten dialektischen Manier verdrehen und zerreden könnte, sondern es handelt sich um das Hervortreten eines neuen biologischen Typs, die Geschichte mutiert und ein Volk will sich züchten.« So hieß es in Gottfried Benns unheilvoller »Antwort an die literarischen Emigranten«, die mit den Sätzen begann: »Sie schreiben mir einen Brief aus der Nähe von Marseille. In den kleinen Badeorten am Golf de Lyon, in den Hotels von Zürich, Prag und Paris, schreiben Sie, säßen jetzt als Flüchtlinge die jungen Deutschen, die mich und meine Bücher einst so sehr verehrten.«
    Der grausliche Brief – im »Schicksalsrausch« geschrieben, wie Benn sich später selber kritisierte– war an Thomas Manns Sohn Klaus gerichtet; und der hatte in einem so dringlichen wie schmerzlichen Appell, adressiert an den »lieben und verehrten Doktor Benn«, geschrieben: »In welcher Gesellschaft befinden Sie sich dort? Was konnte Sie dahin bringen, Ihren Namen, der uns der Inbegriff des höchsten Niveaus und einer geradezu fanatischen Reinheit gewesen ist, denen zur Verfügung zu stellen, deren Niveaulosigkeit absolut beispiellos in der europäischen Geschichte ist und von deren moralischer Unreinheit sich die Welt mit Abscheu abwendet?«
    Klaus Manns Brief an Benn ist eines der erschütterndsten Zeugnisse der deutschen Emigrationsliteratur; er trug das Datum vom 9. Mai 1933 – einen Tag vor der Bücherverbrennung auf dem Berliner Opernplatz. Der Absendeort war Sanary-sur-Mer.
    Tatsächlich saßen in vielen kleinen Nestern der französischen Mittelmeerküste eine ganze Menge jener deutschen Schriftsteller, die das Dritte Reich
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