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Nizza - mon amour (German Edition)

Nizza - mon amour (German Edition)

Titel: Nizza - mon amour (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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während der Französischen Revolution Adlige hierher flüchteten, da die Stadt zum Königreich Sardinien gehörte und erst 1793 durch eine Proklamation des Convents die Vereinigung mit Frankreich vollzogen wurde. Wiederum hatte aber schon 1860 die »Comté de Nice« in einer Volksabstimmung den Anschluß an Frankreich beschlossen, später organisierte Napoleon von Nizza aus seine »italienische Armee« und nach der Revolution wurde die Grande Corniche hoch über dem Meer die erste befahrbare Straße nach Italien. So weit das alles zurückliegen mag: Noch heute gilt Nizza als die »italienische Stadt« Frankreichs, dessen fünftgrößte es – nach Paris, Marseille, Lyon, Bordeaux – ist. Ob der hübsche schwule Käsehändler oder die dicke Blonde mit ihren »Pâtes fraîches« – es gibt viele Geschäfte, in denen fast nur italienisch gesprochen wird, auch von den Kunden. An den Klingelschildern der Appartementhäuser überwiegen italienische Namen. »Sie kaufen hier alles auf«, freuen sich die Makler, aber meckern die Marktfrauen, die ihrerseits durchaus nicht französisch sein wollen, sondern eben »niçois«. Fingert eine wählerische Kundin allzu lange an den »Cœur de Boeuf« genannten großgerillten Fleischtomaten herum oder an jenen besonders köstlichen »Pomme d’Amour« genannten, kann sie leicht ein »Ah, les parisiennes!« zu hören bekommen und wird erst wieder freundlich bedient, wenn die Antwort lautet: »Moi, je ne suis pas parisienne, je ne suis pas même française – je suis niçoise.« Allen Ernstes teilt die Lokalzeitung Nice Matin die Gäste der begehrten Restaurants so ein: »Niçois, Français« – und dann kommen schon die Russen, »Britanniaques«, »Italiens«; Deutsche nicht. An mir lobt man meinen hübschen »polnischen« Akzent. Deutschland liegt in Sibirien, irgendwo weit, weit weg im ewigen Schnee. »Deutschland?«, sagte mein Concierge, »ja, der Cousin meines Bruders war mal da, drei Tage in München – das ist doch bei Hamburg?« Man sollte auch, doch doch, immer noch, etwas vorsichtig sein bei kleinen alltäglichen Auseinandersetzungen. Als ich mich am Fischstand über eine sich vordrängelnde Dame laut ärgerte, legte der Kabeljauverkäufer zwei Finger quer über die Oberlippe – der Schnurrbart. Und als ich mich an der Tankstelle beschwerte, hieß es recht vernehmlich: »Rentrez chez vous«. Man muß stets eingedenk sein, daß auch hier im Süden Frankreichs deutsche Truppen marodierten, plünderten, mordeten. So recht behaglich kann einem nicht sein beim Einkauf in Nizzas »Galeries Lafayette«, wenn da links an einer Säule eingemeißelt steht:

Seraphin Torrin
    – Franc Tireur –
    Partisan Français
    Fût Pendu ici
    Le 7 juillet 1944
    et Resta Exposé
    Pour Avoir Résisté
    À L’Oppresseur
    Hitlérien
    – Passant incline toi
    Souviens toi –
    Dasselbe, nur mit dem Namen Ange Grassi, an der gegenüberliegenden Säule, und auch in dem hübschen kleinen Café unter den Arkaden der Place Garibaldi schmeckt der Espresso besonders bitter, liest man die Inschrift »Ici Tomba en combattant le 28. Août 1944 Paul Vallaghé Âgé de 24 Ans Groupe Réné«.
    So viele Städte in einer Stadt. Nizza, wie Rom erbaut auf sieben (oder mehr?) Hügeln, ist eine große siebenschwänzige Katze: mal auf Sammetpfoten und mal krallenkratzig; mal liebevoll schnurrend und mal fauchend; mal schmeichlerisch sich anschmiegend mit seidenem Fell und mal gesträubt wütig – dem eigenen vitalen Rhythmus untertan und sonst niemandem. Stolz, verschwiegen, rätselvoll und lasterhaft. Unergründlich wie jede schöne Frau. La ville ist weiblich. »La ville inconnue«, sang die Piaf, der Spatz, und entzückende kleine Nachäfferspätzinnen plärren dies vor so manchem Straßencafé, besonders gerne am »Palais de Justice«. Einen Baldachin aus Rosen hat man der zärtlich »Gassenjunge«, »le môme«, genannten Chansonette aufgespannt auf der kleinen Place Edith Piaf, eine Art Rosen-Voliere, aus deren geschwungenen Gittern die roten, gelben, orangefarbenen gefiederten Blüten hervorflattern wie ihr Lied.
    Der Tanzfächer, die schöne Frau. Ich muß dem noch eine Metapher im Femininum hinzufügen – eine der ganz großen, staunens-wie bewundernswerten Besonderheiten, die Nizza und ihr herrliches Umland bieten; denn ich schreibe hier nicht nur meine Impressionen dieser Stadt nieder, die der hervorragende Frankreich-Kenner Johannes Willms einmal spöttisch »Stuttgart am Meer« genannt hat. Ich
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