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Nizza - mon amour (German Edition)

Nizza - mon amour (German Edition)

Titel: Nizza - mon amour (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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erlaube mir, den Fächer ganz weit auszufalten. Auf unseren Streifzügen werden wir mal bis Monte Carlo gelangen und mal bis Antibes, bis Villefranche, Èze und Vence ohnehin; einmal mit besonders kühn ausgreifendem Schritt gar bis Sanary-sur-Mer. Ein Juwel – Nizza – lebt ja auch durch seine kostbar ziselierte Fassung – die Umgebung –, und so ziert also, wie den schlanken Hals einer Schönen, mal vielfach eng gelegt, mal ohne Knoten weit ausschwingend, die erlesene Kette wunderbarster Museen unsere Stadt. »Nizza, 22. Januar 1892«, notierte Edvard Munch in seinem Tagebuch – das Datum gilt inzwischen als Geburtsstunde seines weltberühmten Gemäldes »Der Schrei«. Doch keineswegs immer – wenn auch oft – geht es hier um »große Kunst«. So beginne ich meine weit ausgreifende Wunderreise in dem entzückenden Schmetterlingsmuseum im Château von Tourette-Levens, hoch oben an der alten Salzstraße nach Piemont gelegen. Da wispern dem Besucher Hunderte der »plus beaux papillons du monde« Märchen aus alten Zeiten und fernen Kontinenten ins Ohr: schillernd und in den schier unglaublichsten Farben leuchtend, als habe der liebe Gott emaillierten Lack auf die manchmal handtellergroßen Flügel getupft.
    Vorher noch ein Blick in das charmante »Musée des Métiers Traditionels« gleich nebenan, ein winziges Kellergewölbe mit alten Gerätschaften, Eisenpflügen, hölzernen Weinpressen oder einer »Gaffe du charretier«, einem alten Kärrner-Geschirr, und all jenem Handwerksgerät, von dem Marx nicht zu Unrecht behauptete, an ihm manifestiere sich noch die nicht-entfremdete Arbeit der Menschen – und danach möchte man sich Zauberschwingen leihen und weit hinausschweben über die Berge und die liebliche Landschaft. Vielleicht würde man dann landen in dem nur fünf Kilometer von Nizza entfernt gelegenen Bergnest Falicon, gleich vor der Statue des »Ste-Vincent – Protecteur de Falicon« oder – kulinarischer – im Terrassenrestaurant »Au Thé de la Reine«; wem das Geld beim Gleitflug nicht aus der Tasche geflattert ist, der kann auch im Luxusrestaurant »Parcours« sich gütlich tun, das große Menü für nur 55 Euro, aber eine Flasche Château Chasse Spleen für 106.
    Leider bin ich kein Molkendieb, wie Schmetterling auf altdeutsch hieß, ich habe keine Flügel, sondern bin nur motorisiert und muß die gewundenen Straßen wählen; oder darf. Denn welcher Umweg bei der Erkundung der Umgebung auch genommen wird – er lohnt sich immer: etwa über das oberhalb von Nizza gelegene Asprémont, noch über dem Nobel-Vorort Gairaut mit seinen schönen Villen der Begüterten und langweiligen »Résidence«-Anlagen, zugeknöpft wie das Portemonnaie der dort wohlig Eingesperrten. Asprémont ist ein steinernes Nest, als hätten Riesenvögel der Urzeit es statt aus Reisig und Zweigen aus Felsbrocken zusammengetragen. Es ist so still, so frisch und luftig hier oben am Platz mit dem Kirchlein, man hört noch die mächtig ausgespannten Schwingen der einstigen gefiederten Monster – und man sieht, daß die auch Farbsinn hatten: Die Treppen und Gassen und winkelig-schief angelegten kleinen Häuser schimmern in einem grau scheinenden hellen Ocker. Die Monster hatten auch gute Augen, der Blick reicht bis zu der ins Meer leckenden Zunge des Cap d’Antibes.
    Aber wieso Umweg? Umweg wohin? So eine Erkundungs-oder Ausflugsfahrt hat ja gemeinhin ein Ziel! Ja, ich habe ein Ziel, und zwar ein für mich »immerwährendes«. So, wie jeder Paris-Aufenthalt ganz unbedingt bei Monets Seerosen im Jeu de Paume beginnen muß und anschließend im Louvre bei dem kleinformatigen »Apollo und Marsyas« von Perugino fortgesetzt wird; so wie ich jeden Aufenthalt in New York vor den Tiffany-Wänden im »American Wing« des Metropolitan Museums beginne – so existiert Nizza für mich nicht ohne einen Besuch im Chagall-Museum in der Avenue Docteur Menard. Mag sein, daß ich dem Hang der Franzosen zur Übertreibung erliege, die ja jedes noch so miese Mietshaus »Palais Mimosa«, »Château Comtesse Durant« oder »Château Chambrun«, wenn nicht gleich »Palais Mozart« nennen oder ein graues Eckhaus an einer Vier-Straßen-Kreuzung »L’Orangerie« taufen und selbst den scheußlichsten Plattenbau noch durch einen Namen wie »La Palladio« veredeln und ungeniert sagen können: »J’adore cette soupe« (während unsereins ja eher selten eine Suppe anbetet). So sage ich dennoch: Es ist eines der schönsten Museen der Welt. Schon der
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