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Nixenmagier

Nixenmagier

Titel: Nixenmagier
Autoren: Helen Dunmore
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Horden von Touristen, die wie Bienen über die Stadt herfallen. Als wir noch in Senara lebten, sind Conor und ich manchmal für einen Tag nach St. Pirans gekommen, um ein bisschen Abwechslung zu haben. Doch ein Tag hat uns immer gereicht. Man kann nicht schwimmen gehen, ohne mit irgendwelchen Surfbrettern
zu kollidieren. Es gibt verschiedene Gruppen von Surfern, die sich regelrecht bekämpfen – auf der einen Seite die Einheimischen, auf der anderen diejenigen, die mit ihren Vans aus dem Landesinneren kommen. Sie kriegen sich in die Haare, wenn ein Surfer dem anderen eine Welle weggeschnappt hat. Die denken doch tatsächlich, dass das Meer ihnen gehört, und kämpfen um »ihre« Wellen. Das ist ein weiterer Beleg für die Verrücktheit dieser Stadt. Faro wird sich bestimmt amüsieren, wenn ich ihm davon erzähle.
    »Sadie! Sadie!« Plötzlich sehe ich, dass Sadie schon am anderen Ende des Strandes ist und einem kleinen Hund entgegenspringt. Ich glaube, es ist ein Yorkshire-Terrier, der am Ufer entlangtollt. Sadie würde ihm niemals etwas zuleide tun. Trotzdem beginne ich zu laufen. In diesem Moment bemerkt ein Mädchen in meinem Alter, was vor sich geht. Sie hat mit einem kleinen Kind zusammen ein Loch im Sand gegraben, doch nun springt sie auf.
    »Sa-die!«
    Wird sie auf mich hören? Akzeptiert mich Sadie als ihre rechtmäßige Besitzerin? Ja, das tut sie! Wenige Meter vor dem Yorkshire-Terrier bleibt sie stehen. Man sieht ihrem Körper an, wie sehr sie sich danach sehnt, mit dem anderen Hund herumzutollen. Sie wirft mir einen Blick zu, der fragt, warum ich verhindert habe, was ein aufregendes Abenteuer hätte werden können.
    »Braves Mädchen!«
    Ich bin völlig außer Atem, knie mich in den feuchten Sand und nehme Sadie an die Leine. Das andere Mädchen kümmert sich um ihren Hund, der nicht größer als ein Baby ist.
    »Ich dachte schon, dein Hund wollte Sky auffressen«, sagt
sie. Sie hat sehr kurze, struppige blonde Haare. Ihr Lächeln ist so strahlend wie die Sonne.
    »Sky? Komischer Name für einen Hund.«
    »Ja, ich weiß. Sie gehört nicht mir, sondern meiner Nachbarin. Aber die hat MS, also gehe ich mit ihr spazieren. Sie läuft nicht weit … ich meine Sky, nicht meine Nachbarin«, fügt das Mädchen rasch hinzu, als wäre ihr etwas Peinliches herausgerutscht. »Entschuldigung, ich glaube, das war etwas verwirrend«, sagt sie schließlich.
    Da ich nicht einmal weiß, was MS ist, sage ich einfach: »Ach nein, gar nicht.«
    »Ist das dein Hund?«, fragt das Mädchen mit einem Anflug von Neid.
    »Ja.« Diese Antwort kommt mir immer noch wie eine Lüge vor. Es ist so abgedroschen, wenn die Leute sagen, eine Sache sei zu schön, um wahr zu sein, doch jedes Mal, wenn ich Sadie als »meinen Hund« bezeichne, habe ich genau dieses Gefühl. Das ist wirklich zu schön, um wahr zu sein. Wochenlang habe ich mir Sorgen gemacht, dass Johns Familie sie womöglich zurückhaben will, aber das war nicht der Fall. Sie gehört dir , hat Johns Mutter gesagt. Hunde wissen, zu wem sie gehören, und Sadie hat sich eindeutig für dich entschieden, Sapphire. Schau nur, wie sie mit dem Schwanz wedelt. So freudig hat sie mich nie begrüßt.
    »Sie ist wunderschön.« Das Mädchen streckt selbstgewiss ihre Hand aus, als sei sie ganz sicher, dass Sadie sie mögen würde. Und das tut Sadie auch und schnüffelt neugierig an den Fingern des Mädchens. Ich ziehe sanft an der Leine.
    »Wir müssen dann«, sage ich.

    »Sky und River müssen auch zurück. Dahinten, in der Grube, das ist River. Er gräbt immerzu Löcher. Er ist mein kleiner Bruder.«
    »River …« Komischer Name für einen kleinen Jungen, hätte ich fast hinzugefügt, kann mich aber gerade noch beherrschen. Das Mädchen lächelt.
    »Jeder findet unsere Namen ein bisschen merkwürdig.« Sie sieht mich erwartungsvoll an. »Willst du nicht wissen, wie ich heiße? Oder willst du vielleicht raten?«
    Ich schüttele unbeholfen den Kopf. Ihre Freundlichkeit macht mich irgendwie verlegen.
    »Rainbow«, sagt sie. »Rainbow Petersen. Meine Mutter hat mich Rainbow genannt, weil sie meinte, dass es vor meiner Geburt in ihrem Leben sehr lange geregnet hätte und mit mir die Sonne herauskam. Meine Mutter kommt aus Dänemark, lebt aber schon seit ihrem achtzehnten Lebensjahr hier.«
    Für einen Moment ist es still. Ich frage mich, ob meine Mutter einmal etwas Ähnliches zu mir gesagt hat, aber mir fällt nichts ein. Die Sonne kam heraus, als du geboren wurdest, Sapphy. Nein, das kann
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