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Nixenjagd

Nixenjagd

Titel: Nixenjagd
Autoren: Susanne Mischke
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das pubertierende männliche Geschlecht wie Erdnüsse auf Affen. Den nicht minder attraktiven Gegenpol bildeten die magersüchtigen Rehlein; Geschöpfe wie Ute, die es prächtig verstand, mit ihrem Ich-bin-so-klein-und-zerbrechlich-Gehabe Beschützerinstinkte zu wecken. Franziskas Figur war schlank, aber muskulös, mit ausgeprägten Waden und kräftigen Schultern. Sie war Klassenbeste im Weitsprung und konnte einen Schlagball über vierzig Meter weit werfen. Eigenschaften, die im Geschlechterkampf völlig nutzlos waren. »Dafür bist du gebildet und kultiviert«, hatte Katrin neulich zu ihr gesagt und zum ersten Mal war Franziska der Gedanke gekommen, dass Katrin sie, Franziska, beneiden könnte: um ein Elternhaus, in dem es Bücher gab, ein Theater-Abo und eine gewisse Konsequenz in der Erziehung. Katrins Eltern waren liebe, freundliche Menschen, die in ihrer Freizeit an ihrem Reihenhäuschen bastelten – und sich von ihrer Tochter auf der Nase herumtanzen ließen. Bücher gab es bei den Pankaus nicht viele, dafür besaß Katrin einen eigenen Fernseher und stets das coolste Handy und den angesagtesten MP3-Player. Gerne hätte sich Franziska mit ihrer Freundin beraten und sie gefragt, wie Pauls Verhalten zu verstehen sei und was sie tun sollte. Aber ausgerechnet in diesem speziellen Fall konnte Franziska nicht auf Katrins Hilfe zählen, das sagte ihr der Instinkt. Am Dienstag, in Kunst, hatte sich Katrin mit einer Pobacke auf Pauls Tisch gesetzt und irgendein fadenscheiniges Anliegen vorgetragen. Paul hatte die Einblicke, die das Spaghetti-Träger-T-Shirt bot, sehr wohl ausgekostet und die Tage danach hatte er sich auf dem Rückweg vom Pausenhof ins Klassenzimmer stets mit Katrin unterhalten. Würde Katrin ihre Annäherungsversuche einstellen, wenn Franziska sie über ihre Gefühle aufklären würde? Nein. In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. Und dann waren da ja auch noch Silke, Ute, Ann-Marie...Eswar aussichtslos. Wahrscheinlich hatte Paul sein Versprechen – im Übrigen ein viel zu großes Wort für eine vage, zeitlich nicht definierte Verabredung – längst vergessen. Und das sollte sie auch tun, sagte sich Franziska, während sie nun den Feldweg entlangging: ihn vergessen. Von weiter hinten näherte sich ein Radfahrer. Franziska pfiff nach dem Hund. »Es gefällt mir nicht, dass du stundenlang allein durch die Feldmark spazierst«, nörgelte Franziskas Mutter in regelmäßigen Abständen. »Aber ich habe doch Bruno dabei.« »Dieses Spielkalb! Außerdem ist er bestechlich.« »Er sieht gefährlich aus, das reicht«, pflegte Franziska die Bedenken ihrer Mutter zu zerstreuen. Bruno war ein Deutsch Drahthaar Rüde von überaus freundlichem Wesen – sofern man ihm nicht in Gestalt einer Katze begegnete. Mit seiner kräftigen Statur, seinem rauen Fell und dem zerzausten Bart wirkte er auf Fremde Respekt einflößend, und wenn er tatsächlich einmal bellte, tat seine tiefe, volle Stimme ein Übriges.
    Nein, die Spaziergänge mit Bruno würde sie sich nicht ausreden lassen, in diesem Punkt war Franziska stur, und mit Bruno dicht an ihrer Seite fürchtete sie sich vor niemandem. Das Fahrrad kam näher, sie hörte, wie es über die Schlaglöcher klapperte. Wo blieb der Hund? Im selben Augenblick sprang Bruno aus dem Kornfeld auf den Weg. Franziska griff nach seinem Halsband. Manchmal gönnte sich Bruno nämlich den kleinen Spaß und rannte Radfahrern ein paar Meter bellend hinterher, was bisher keiner von denen lustig gefunden hatte. Radbremsen quietschten, Reifen knirschten auf dem Kies. Franziska fuhr erschrocken herum. Bruno wuffte. »Da bist du ja«, keuchte Paul. Er stand in einer Wolke goldenen Staubs. »Alles in Ordnung, Bruno.« Franziska ließ das Halsband los und Paul hielt dem Hund beiläufig seine Hand hin, ohne ihn darüber hinaus zu beachten. Bruno grüßte durch kurzes Schwanz-wedeln und ging dann wieder seinen Interessen nach. Pauls Umgang mit Bruno gefiel Franziska. Sie mochte es nicht, wenn sich Leute auf ihn stürzten und ihn hätschelten. Menschen, die ihn scheinbar kaum beachteten, respektierte der Hund viel mehr. Franziska ging langsam weiter. Paul schob sein Rad neben ihr her. Er schnaufte. »Deine Mutter hat mir gesagt, dass du hier draußen irgendwo spazieren gehst.« »Warst du bei uns zu Hause?« »Ich habe angerufen.« Sie musste sich beherrschen, um nicht glückselig zu lächeln. »Gehst du Tiere beobachten?« Franziska deutete auf das Fernglas, das um seinen Hals baumelte. »Ja.
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