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Nixenjagd

Nixenjagd

Titel: Nixenjagd
Autoren: Susanne Mischke
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kommentarlos davonschlich und ihm in sein Zelt folgte? Aber vermutlich war ihr das völlig egal. Franziska ließ ihren Tränen nun freien Lauf. Jetzt sah es ja keiner mehr. Sie holte das Waschzeug aus ihrem Zelt und machte sich auf den Weg zu den Sanitäranlagen. Bis dahin musste sie ein gutes Stück gehen, die Verwaltung des Campingplatzes hatte den alljährlich wiederkehrenden Schülern wohlweislich eine große Wiese im hintersten Teil des Platzes zugewiesen. Franziska fühlte Übelkeit aufsteigen und ging schneller. Durch den Tränenschleier glaubte sie Pauls Schwester Alexandra zu erkennen, die ihr mit einer Sporttasche unter dem Arm entgegenkam. Auch so ein Bruch der Regel, Alexandra ging schließlich erst in die Neunte, was hatte sie hier zu suchen? Franziska gestattete sich ein boshaftes Lächeln bei der Vorstellung, wie Pauls Schwesterchen womöglich gleich in sein Zelt platzen würde. Überraschung, Überraschung...Das Mädchen war nun auf ihrer Höhe. Mit gesenktem Kopf, das Gesicht hinter einem strähnigen Haarvorhang verborgen, kam sie den Weg entlang. »Hallo.« Franziska hob die Hand zum Gruß, aber das Mädchen reagierte nicht. Es war auch gar nicht Alexandra, und auch kein Mädchen, es war eine fremde, erwachsene Frau. Gott, bin ich besoffen, registrierte Franziska, hoffentlich schaffe ich es noch bis zu den Klos. Kurz darauf hing sie über einer der Toiletten und würgte die Drinks und den Kummer der vergangenen Stunden aus sich heraus. Auf dem Rückweg fühlte sie sich schon besser. Zum Teufel mit Paul! Und mit Katrin sowieso. Franziska wusste nicht, wie lange sie auf ihrem Schlafsack ge legen hatte – es war zu warm, um zugedeckt zu schlafen –, als es draußen laut wurde. Autos hielten, Türen schlugen, Bässe wurden abgewürgt, Gelächter. Die Disco-Mannschaft war zurück. Sie erschrak, als eine Faust gegen ihre Zeltwand donnerte. »Los, Franziska, Nachtschwimmen!«, rief Oliver. Warum eigentlich nicht? Das Leben geht weiter, dachte sie trotzig und schlüpfte in ihren Badeanzug. Eine Gruppe von dreißig oder vierzig Leuten machte sich auf den Weg ans Wasser. »Pscht, leise«, ermahnten sie sich unter viel Gekicher und Gequietsche. Einige der Mädchen hatten auf das Bikinioberteil verzichtet und trugen nur ihre Handtücher um die Schultern. Ob das auch zur Tradition gehörte? Ihr fielen die Ermahnungen ihrer Eltern ein: . . . und geh nicht schwimmen, wenn du was getrunken hast. Am besten wäre es, du würdest keinen Alkohol trinken, aber man weiß ja, wie es auf solchen Festen zugeht... Und ob die das wussten! Franziska hatte früher gelauscht, wenn Freunde ihrer Eltern zu Besuch waren und man zu fortgeschrittener Stunde in Erinnerung an sex and drugs and rock’n’roll schwelgte. Ganz vorn sah sie Katrin, sie trug lediglich eine Bikinihose und Flip-Flops. Links und rechts neben ihr gingen Ute und Ann-Marie. Wo war Paul? Sie sah ihn nicht. Das war ihr ganz recht. Sie wollte weder ihm noch Katrin begegnen und ließ sich ans Ende des Trupps zurückfallen. Oliver stolperte neben ihr her. Immer wieder trat er auf die Schnürsenkel seiner Sportschuhe. Sie würde auf ihn aufpassen müssen, damit er im Suff nicht unterging.

4
    Katrin erschauderte kurz, als das Wasser ihren Bauch berührte. Die meisten waren kreischend in den See gerannt. Sie ging zügig, Schritt für Schritt. Dann, als ihr das Wasser bis zur Taille reichte, ließ sie sich hineingleiten. Nach ein paar kräftigen Schwimmzügen war es angenehm, wie das kühle Wasser über ihre warme Haut strich. »Ich bin zu müde zum Schwimmen«, hatte Paul behauptet. Er hatte sie ohnehin ziemlich gleichgültig behandelt. Fast so, als würde er eine lästige, aber unvermeidliche Sache möglichst rasch hinter sich bringen wollen. Dass ein sogenannter Liebesakt mit so wenig Gefühl verbunden sein konnte, war für die im Grunde romantisch veranlagte Katrin eine neue, ernüchternde Erfahrung. Sie kam sich benutzt vor. Selbst schuld, gestand sie sich ein. Manchmal verstand sie nicht, was sie dazu trieb, sich den Typen geradezu an den Hals zu werfen. Sie brauchte diese kleinen Siege, sie war süchtig danach und bereit, jedes Opfer zu bringen. Sie war wie eine Jägerin, die sich nach der Anerkennung durch ihre Beute sehnte. Denn Anerkennung bekam sie sonst nirgends. Katrin schrieb recht ordentliche Noten, aber das war ihren Eltern eher suspekt. Eine Tochter, deren Intellekt es rechtfertigte, dass sie dreizehn Jahre lang zur Schule ging und dann womöglich
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