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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika
Autoren: Stefanie Zweig
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brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Frau Doktor. Ganz Deutschland ist voll von Leuten, die froh sind, wenn sie Arbeit finden. Ich kann dir heute nicht sagen, wie unser Leben wird, aber bei allem, was mir heilig ist, ein Dienstmädchen verspreche ich dir.«
    »Bwana«, fragte Owuor und häufte die gebügelte Wäsche zu dem schön riechenden Berg, den nur er so hoch und glatt zu bauen verstand, »soll ich die Koffer mit heißem Wasser auswaschen?«
    »Warum fragst du?«
    »Du brauchst deine Koffer für die Safari. Die Memsahib auch.«
    »Was weißt du, Owuor?«
    »Alles, Bwana.«
    »Seit wann?«
    »Schon lange.«
    »Aber du verstehst uns doch gar nicht, wenn wir reden.«
    »Als du nach Rongai gekommen bist, Bwana, habe ich nur mit den Ohren gehört. Die Tage sind nicht mehr.«
    »Danke, mein Freund.«
    »Bwana, ich habe dir nichts gegeben, und du sagst danke.«
    »Doch, Owuor, nur du hast mir gegeben«, sagte Walter.
    Er erlitt den Schmerz, der ihn beschämte, nur kurz und doch lange genug, um zu begreifen, daß zu den alten Wunden soeben eine neue hinzugekommen war. Sein Deutschland war nicht mehr. Er würde die wiedergefundene Heimat nicht als berauschter Heimkehrer betreten, sondern mit Wehmut und Trauer.
    Die Trennung von Owuor würde nicht weniger qualvoll sein, als die Abschiede, die hinter ihm lagen. Der Drang, auf Owuor zuzugehen und ihn zu umarmen, war groß, doch als er sagte: »Es wird schon alles gut werden«, war es Jettel, die er streichelte.
    »Ach, Walter, wer sagt es Regina, daß es jetzt ernst wird? Sie ist doch noch ein Kind und hängt so an allem hier.«
    »Ich weiß es schon lange«, sagte Regina.
    »Wo kommst du denn her? Wie lange stehst du schon da?«
    »Ich war die ganze Zeit mit Max im Garten, aber ich höre mit den Augen«, erklärte Regina. Ihr ging auf, daß ihr Vater nie wissen würde, was es bedeutete, wenn ein Mensch die Stimme eines anderen nachahmte.
    »Und deine Eltern«, erwiderte Walter, »können noch nicht einmal ihren Augen trauen. Oder kannst du dir vorstellen, Jet-tel, wer im Hessischen Justizministerium deinen alten Trottel persönlich kennen soll? Das geht mir nicht aus dem Kopf.«
    Er grübelte besessen über den unbegreiflichen Zufall nach, der dabei war, seinem Leben die Wende zu geben, aber so sehr
    er auch Vergangenheit durchforschte und die unbekannte Zukunft auf eine Möglichkeit durchleuchtete, die ihm entgangen sein konnte, der entscheidende Punkt ließ sich nicht erhellen.
    Acht Tage später sprach Walter bei Captain Carruthers vor. Den Brief vom Hessischen Justizministerium hatte er mühsam und mit Reginas Hilfe übersetzt. So kam er sich wenigstens wie ein gut präparierter Student beim ersten Staatsexamen vor; der Vergleich, der ihm vor zwei Wochen nie in den Sinn gekommen wäre, erheiterte ihn.
    Ehe der Captain mit dem lustlosen Durchblättern der Post, dem sorgsamen Stopfen seiner Pfeife und den vielen verärgerten Bewegungen beim Kampf mit dem klemmenden Fenster fertig war, ertappte sich Walter sogar bei der zufriedenen Feststellung, daß es ihm selbst besser zu gehen schien als dem Captain.
    Captain Bruce Carruthers hatte ähnliche Gedanken. Er sagte mit einer Spur von Irritation, die bei ihm einst eher das gelungene Vorspiel zu einer wohl bedachten ironischen Bemerkung als Ausdruck einer plötzlichen Laune gewesen war: »Sie sehen irgendwie anders aus als beim letztenmal. Sind Sie überhaupt der richtige Mann? Der, der nichts kapiert?«
    Obwohl Walter ihn verstanden hatte, wurde er unsicher.
    »Sergeant Redlich, Sir«, bestätigte er verkrampft.
    »Warum habt Ihr Burschen vom Kontinent alle keinen Sinn für Humor? Kein Wunder, daß Hitler den Krieg verloren hat.«
    »Sorry, Sir.«
    »Das hatten wir schon mal. Ich kann mich noch genau erinnern. Sie sagen sorry, und ich fange mit dem ganzen Blödsinn von vorn an«, monierte der Captain und schloß einen Moment die Augen. »Wann habe ich Sie überhaupt das letztemal gesehen?«
    »Vor fast sechs Monaten, Sir.«
    Der Captain sah alter und noch vergrämter aus als bei der ersten Unterredung; er wußte es. Es waren nicht nur die Magenschmerzen beim Aufwachen und der Verdruß nach dem letzten Whisky am Abend. Er spürte vor allem mit einer Melancholie, die ihm unangenehm erschien, daß er nicht mehr jenen gesunden Sinn für Proportionen hatte, den ein Mann seines Alters brauchte, um das empfindliche Gleichgewicht des Lebens zu sichern. Selbst unbedeutende Kleinigkeiten störten Bruce Car-ruthers über Gebühr.
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