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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika
Autoren: Stefanie Zweig
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Beispielsweise, daß er sich nur mit geradezu entwürdigender Anstrengung den Namen des Sergeant merken konnte, der vor ihm stand. Dabei hatte er doch wahrlich oft genug diese Karikatur eines Namens von einem idiotischen Formular ins nächste übertragen müssen. Die überflüssigen Probleme mit seinem Gedächtnis kratzten mehr, als für einen Mann seines Formats ziemlich war, an der Kraft.
    Hinzu kam, daß Carruthers sich von Tag zu Tag aufs neue der Erkenntnis stellen mußte, daß das Schicksal ihm nicht mehr gnädig war. Bei der Jagd konnte er sich nur schwer konzentrieren und dachte zu viel an Schottland, und Golf erschien ihm nun zu häufig als ein geradezu absurder Zeitvertreib für einen Mann, der in seiner Jugend von einer Laufbahn als Wissenschaftler geträumt hatte. Von seiner Frau war der lang erwartete Brief eingetroffen, daß sie die Trennung nicht mehr ertragen konnte und sich scheiden lassen wollte; unmittelbar darauf war von der verdammten Army der Befehl gekommen, der ihn weiter im Ngong festhielt.
    Der Captain zuckte zusammen, als er merkte, daß er sich im Labyrinth seiner Auflehnung verirrt hatte. Auch das widerfuhr ihm öfter als in guten Tagen. »Ich nehme an«, sagte er entmutigt, »Sie wollen immer noch nach Deutschland entlassen werden?«
    »O ja, Sir«, erwiderte Walter rasch und schob die Spitzen seiner Stiefel zusammen, »deshalb bin ich hier.«
    Carruthers spürte eine Neugierde, die seinem Naturell zuwider war; er fand sie unpassend, aber doch merkwürdig faszinierend. Dann wußte er Bescheid. Die Art, wie der skurrile Kerl vor ihm Fragen beantwortete, war anders als beim erstenmal. Vor allem sein Akzent hatte sich verändert. Der war zwar immer noch quälend für ein empfindsames Ohr, aber irgendwie sprach der Mann doch besser Englisch. Zumindest war er zu verstehen. Auf diese ehrgeizigen Burschen vom Kontinent war wirklich kein Verlaß. Vergruben sich noch in einem Alter, in dem andere nur noch ans Privatleben dachten, hinter Büchern und lernten eine fremde Sprache.
    »Wissen Sie überhaupt schon, was Sie in Deutschland machen wollen?«
    »Ich werde Richter, Sir«, sagte Walter und hielt ihm die Übersetzung des Briefs entgegen.
    Der Captain war verblüfft. Er hatte die Abneigung seiner Landsleute gegen Eitelkeit und Stolz, und doch war seine Stimme ruhig und freundlich, nachdem er den Brief gelesen hatte. »Nicht so schlecht«, sagte er.
    »Ja, Sir.«
    »Und jetzt erwarten Sie, daß sich die British Army mit dem Problem beschäftigt und dafür sorgt, daß die fucking Jerrys billig zu einem Richter kommen.«
    »Pardon, Sir, ich habe Sie nicht verstanden.«
    »Die Army soll doch Ihre Überfahrt bezahlen, oder nicht? So haben Sie es sich doch gedacht.«
    »Sie haben das so gesagt, Sir.«
    »Habe ich? Interessant. Nun schauen Sie nicht gleich so ängstlich. Haben Sie in Seiner Majestät Army denn nicht gelernt, daß ein Captain immer weiß, was er gesagt hat. Auch dann, wenn er in diesem gottverlassenen Land festsitzt und sich nichts mehr merken kann. Können Sie sich überhaupt vorstellen, wie man hier verblödet?«
    »O ja, Sir, das weiß ich sehr gut.«
    »Mögen Sie die Engländer?«
    »Ja, Sir. Sie haben mir das Leben gerettet. Ich werde ihnen das nie vergessen.«
    »Warum wollen Sie dann weg?«
    »Die Engländer mögen mich nicht.«
    »Mich auch nicht. Ich bin Schotte.«
    Sie schwiegen beide. Bruce Carruthers grübelte, weshalb es einem verdammten, nichtbritischen Sergeant gelingen sollte, wieder in seinem alten Beruf zu arbeiten, und einem Captain aus Edinburgh mit einer Großmutter aus Glasgow nicht.
    Walter fürchtete bereits, der Captain würde das Gespräch beenden, ohne überhaupt das Wort Repatriation zu erwähnen. Beängstigend ausführlich stellte er sich Jettel vor, wenn sie erfuhr, daß er nichts erreicht hatte. Der Captain blätterte mit der rechten Hand in einem Stapel Papier und schlug mit der linken nach einer Fliege, doch dann stand er auf, als hätte er nichts anderes im Sinn gehabt, kratzte penibel die tote Fliege von der Wand, nahm zum erstenmal die Pfeife aus dem Mund und sagte: »Was halten Sie von der >Almanzora    »Sir, ich verstehe nicht.«
    »Mann Gottes, die >Almanzora< ist ein Schiff. Fährt dauernd zwischen Mombasa und Southampton hin und her und holt die Truppen heim. Ihr Burschen interessiert euch wohl nur für Saufen und Weiber?«
    »Nein, Sir.«
    »Vor dem 9. März nächsten Jahres bekomme ich kein Kontingent auf der alten Dame. Aber wenn Sie
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