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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika
Autoren: Stefanie Zweig
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und haben uns schon von ganz anderen Dingen trennen müssen als von Tellern mit Blümchenmuster.
    Regina braucht Gummistiefel und Manchesterhosen (Du übrigens auch). Wenn jemand ihr was zum Abschied schenken möchte, bitte um Schuhe, die ihr auch noch in zwei Jahren passen. Ich kann mir, jedenfalls heute, nicht vorstellen, daß wir einmal reich genug sein werden, um Schuhe zu kaufen.
    Mach erst die Liste für das Auswanderungsgut, wenn Du alles beisammen hast. Es ist wichtig, daß jedes Stück aufgezählt wird, das mitgehen soll. Sonst gibt es schrecklichen Ärger. Und laß Dich bloß von keinem überreden, irgend jemandem etwas mitzunehmen. Denk an den armen B. Den Kummer mit dem Hamburger Zoll hat er nur seiner Gutmütigkeit zu verdanken. Wer weiß, ob er je nach England kommt und wie lange er unter Buchen wandern wird. Am besten Du sprichst so wenig wie möglich über Deine Pläne. Man weiß nicht mehr, was aus einem Gespräch werden kann und was aus Menschen geworden ist, die man ein Leben lang gekannt hat.
    Von mir will ich heute nur kurz berichten, sonst schwirrt Dir auch der Kopf. Rongai liegt ungefähr tausend Meter hoch, ist aber sehr heiß. Die Abende sind sehr kalt (nimm also Wollsachen mit). Auf der Farm wächst hauptsächlich Mais, doch habe ich noch nicht herausgefunden, was ich mit ihm machen soll. Außerdem haben wir fünfhundert Kühe und jede Menge Hühner. Für Milch, Butter und Eier ist also gesorgt. Sieh zu, daß du ein Backrezept für Brot mitbringst.
    Das, was der Boy bäckt, sieht aus wie Matze und schmeckt noch schlechter. Setzei kann er wunderbar, Rührei gar nicht. Und wenn er weiche Eier kocht, singt er ein ganz bestimmtes Lied. Leider ist das Lied zu lang, und die Eier werden immer hart.
    Wie Du siehst, habe ich schon einen eigenen Boy. Er ist groß, natürlich schwarz (bitte mache Regina klar, daß nicht alle Menschen weiß sind) und heißt Owuor. Er lacht sehr viel, was mir bei meiner gegenwärtigen Unruhe guttut. Boys sind hier die Diener, aber es heißt gar nichts, wenn man einen Boy hat. Auf einer Farm hat man so viel Personal, wie man will. Du kannst also Deine Sorgen um ein Dienstmädchen sofort einstellen. Es leben hier sehr viele Menschen. Ich beneide sie, weil sie nicht wissen, was in der Welt geschieht und weil sie ihr Auskommen haben.
    Im nächsten Brief erzähle ich Dir mehr von Süßkind. Er ist ein Engel, fährt heute nach Nairobi und will die Post mitnehmen. Da gewinnt man mindestens eine Woche, und ein reger Briefwechsel ist für uns jetzt sehr wichtig. Wenn Du antwortest, numeriere Deine Briefe und schreib genau, auf welchen Du antwortest. Sonst kommt unser Leben noch mehr durcheinander, als es schon ist. Schreib, so bald Du kannst, an Vater und Liesel, und nimm ihnen die Angst um uns alle.
    Mein Herz zerspringt bei dem Gedanken, daß ich vielleicht schon sehr bald Dich und das Kind in die Arme schließen kann. Und es wird schwer, wenn ich daran denke, daß dieser Brief Deiner Mutter sehr weh tun wird. Nun bleibt ihr von ihren beiden Mädels nur noch eins, und wer weiß, wie lange. Aber Deine Mutter ist immer eine großartige Frau gewesen, und ich weiß, daß sie Dich und ihr Enkelkind lieber in Afrika weiß als in Breslau. Gib Regina einen dicken Kuß von mir und verpimple sie nicht. Arme Leute können sich keine Ärzte leisten.
    Ich kann mir denken, in welche Aufregung Dich dieser Brief stürzen wird, aber du mußt jetzt stark sein. Für uns alle. Es umarmt Dich voller Sehnsucht
    Dein alter Walter
    P. S. Die Söhne von Mr. Rubens hätten Dir gefallen, richtig  fesche Burschen. Wie früher bei uns in der Tanzstunde. Ich hielt sie alle für unverheiratet, habe jedoch später erfahren, daß ihre Frauen sich immer zum Bridge treffen, wenn es um uns Refugees geht. Das Thema hängt ihnen zum Hals heraus.
    Rongai, den 15. Februar 1938
    Mein lieber Vater!
    Ich hoffe, Du hast inzwischen von Jettel Nachricht bekommen und somit erfahren, daß Dein Sohn Farmer geworden ist. Mutter hätte bestimmt gesagt »schön, aber schwer«, doch Besseres kann sich ein gelöschter Rechtsanwalt und Notar nicht wünschen. Heute früh habe ich bereits ein neugeborenes Kalb aus dem Bauch einer Kuh gezogen und es Sohrau getauft. Ich hätte lieber bei der Geburt eines Fohlens Hebamme gespielt, denn Reiten habe ich ja bei Dir schon gelernt, ehe Du des Kaisers Rock angezogen hast.
    Denk bloß nicht, daß es ein Fehler war, mich studieren zu lassen. Das scheint nur so im Augenblick. Wie lange mag es
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