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Nirgendwo in Afrika

Titel: Nirgendwo in Afrika
Autoren: Stefanie Zweig
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wollen, versuche ich's für den März. Wie war das noch? Wie viele Frauen und Kinder haben Sie?«
    »Eine Frau und zwei Kinder, Sir. Ich danke Ihnen so sehr, Sir. Sie wissen nicht, was Sie für mich tun.«
    »Ich glaube, das habe ich schon mal gehört«, lächelte Carruthers. »Da ist noch was, was ich wissen muß. Weshalb können Sie auf einmal Englisch?«
    »Ich weiß nicht. Sorry, Sir. Das habe ich auch gar nicht bemerkt.«
23
    Im Bewußtsein, daß der Zeitpunkt für einen kulturellen Neubeginn geboten war, entschlossen sich die Refugees im Hove Court zwei Tage vor Silvester in noch nie erlebter Einigkeit, das Jahr 1947 gemeinsam zu empfangen. Viele Emigranten hofften, sehr bald britische Staatsbürger zu werden; sie übten unverdrossen, wenn auch beklagenswert häufig ohne befriedigendes Ergebnis, die für sie schicksalsschweren Worte United Kingdom, Empire und Commonwealth wenigstens annähernd richtig auszusprechen. In den vergangenen beiden Monaten hatten es vier Ehepaare und zwei unverheiratete Männer geschafft, dank der Naturalisation zumindest offiziell den Status der bloody Refugees ab- und sich Namen mit englischem Klang zuzulegen, die so sehr viel wichtiger für das Selbstbewußtsein waren als materielle Güter.
    Wohlgemuths nannten sich jetzt Welles, und aus Leubu-schers waren Laughtons geworden. Siegfried und Henny Schlachter hatten die Gelegenheit ergriffen, sich radikal von ihren Namenswurzeln zu trennen. Ironische Vorschläge ihrer Nachbarn, sich Butcher zu nennen, lehnten sie resolut ab und wählten den Namen Baker. Es überraschte sehr, daß ausgerechnet Schlachters unter den ersten der neuen British Subjects waren. Sie hatten besondere Mühe mit ihrer neuen Muttersprache und gewiß auch nicht mehr für das adoptierte Vaterland getan als die vielen anderen, deren Gesuch von den Behörden ohne Begründung abschlägig beschieden worden war. Neider trösteten sich mit der Behauptung, Schlachters hätten nur deshalb den britischen Paß bekommen, weil ein aus Irland stammender Beamter bei der vorgeschriebenen kleinen Sprachprüfung den schwäbischen Zungenschlag des betagten Ehepaars mit einem selten noch gehörten keltischen Akzent verwechselt hätte.
    Zur New Year's Party wurden selbstverständlich Mrs. Taylor und Miss Jones eingeladen, ebenso ein frisch aus der Army entlassener und sehr schweigsamer Major aus Rhodesien, der sich bei der Wahl seines Ruhesitzes durch den englischen Namen der Wohnanlage hatte täuschen lassen, doch alle drei erkrankten genau am selben Tag und am gleichen Leiden. Das Festkomitee bemühte sich um Haltung, aber die Enttäuschung, daß ausgerechnet die erste Party dieser Art von unvermittelt aufkommenden Unpäßlichkeiten überschattet wurde, ließ sich in einem so kurzen Zeitraum und ohne jahrhundertelange Übung nicht auf die bewunderte, kühle britische Art unterdrücken.
    Im Festkomitee hatten die »jungen Engländer«, wie sie spöttisch genannt wurden, das Sagen. Besonders sie empfanden es nicht als ausreichende Genugtuung für die dreifache Absage, daß Diana Wilkins gesund geblieben war. Zwar war unstreitig, daß Diana durch ihre Heirat mit dem armen, erschossenen Mr. Wilkins schon seit Jahren die britische Staatsbürgerschaft hatte, aber sie wußte die Ehre absolut nicht zu schätzen. Schon nach einer Viertel Flasche Whisky verwechselte sie die Engländer mit den ihr immer noch hartnäckig verhaßten Russen.
    Noch indignierter wurde vermerkt, daß ausgerechnet Walter, der durch seine geplante Umsiedlung nach Deutschland ohnehin täglich für Injurien und Zündstoff sorgte, die Schamlosigkeit hatte, von der »englischen Krankheit« zu sprechen. Nur der Umstand, daß er noch den Rock des verehrten englischen Königs trug, und dazu das Mitleid mit seiner bedauernswerten
    Frau, deren Einstellung zu Deutschland allgemein bekannt war, schützten Walter vor offenen Feindseligkeiten.
    Auch wenn die Feier nun ohne jene Gäste stattfinden mußte, die durch ihre bloße Anwesenheit für das gebührende gesellschaftliche Prestige gesorgt hätten, fühlten sich die Verantwortlichen englischer Tradition verpflichtet. Gerade weil die Refugees nicht recht wußten, wie sie diese Ambition mit ihren fehlenden Vorstellungen vom Leben in guten britischen Kreisen auf einen glaubhaften Nenner bringen konnten, achteten sie penibel auf jene Details, die sie sich durch regelmäßige Kinobesuche erarbeitet hatten. Die Berichte von den Feiern im englischen Königshaus, gerade um diese
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