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Ninis - Die Wiege der Baeume

Ninis - Die Wiege der Baeume

Titel: Ninis - Die Wiege der Baeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thariot
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gewartet.
     
    »Über Rauschpfeffer ist es hilfreich zu wissen, dass er nur bei Neumond durch die unbefleckten Hände einer Jungfrau gepflückt werden darf.«
    »Und wenn nicht?«, fragte seine Enkeltochter keck.
    »Andernfalls wäre er seiner besonderen Kräfte beraubt und taugte höchstens noch als Suppenkraut.«
     
    Cardamine schwelgte im Glück und schaute das junge Mädchen erwartungsvoll an. Das Kind wirkte so unschuldig: Wie ein wertvolles Kleinod pflückte der blonde Engel das kostbare Kraut und legte es mit nahezu grenzenloser Sorgfalt in ihre Hände. Wahrlich eine Gabe des Himmels, als hätte sie es von Mutter Natur persönlich in Empfang nehmen dürfen. Dass dieses kleine Luder die Goldmünzen danach mit geübtem Biss auf Echtheit prüfte, hätte Cardamine besser misstrauisch werden lassen sollen.
    Nur fühlte sie sich ihren lang gehegten Zielen so nah. Die Nacht entwickelte sich wie ein betörender Traum. Niemand sollte sie jetzt noch aufhalten können. Dessen war sie sich sicher.
    Mit dem wertvollen Gut in der Tasche eilte sie unverzüglich zu ihrem Turm zurück, die Diener wussten Bescheid, sie hatte ihnen zuvor alles Wichtige aufgetragen. Das Feuer brannte bereits und auch der polierte Kupferkessel stand schon neben dem Kamin parat. Cardamines Welt schien perfekt, in dieser Nacht sollte geschehen, was noch keiner Spruchwirkerin vor ihr gelungen war: Sie wollte die Essenz der Ewigkeit aus einer weißen Drachenträne gewinnen. Und das ganz ohne Drachen. Ein wahrhaftig alchemistisches Kunstwerk und ihr finales Meisterstück!
    Sie, Cardamine Sapote von Schattengrün, zweite Spruchwirkerin im Hause zu Schattengrün, war kurz davor die Welt zu beherrschen - oder zumindest die interessanteren Teile davon. Wie das Fürstentum Hyazinth oder das Königreich Begonien. Auf dem Thron in Lerchensporn Platz zu nehmen, das hätte ihr gefallen können. Irgendwelche unwirschen Einöden würde sie weiterhin den verachtenswerten Landeiern überlassen, denen sowieso jeglicher Stil und Sinn für Anmut fehlte.
    Ihre Macht war kurz davor alles erblassen zu lassen, was je das Licht der Sonne erblickt hatte. Alle anderen Spruchwirker sollten vor Neid platzen, besonders ihre ältere Schwester, dieses falsche Stück. Dafür, dass sie ihr vor Jahren die vorteilhafteste Partie in Begonien weggeschnappt hatte, hasste Cardamine sie für alle Ewigkeiten. Die Zeit der Genugtuung war gekommen! So dachte sie zumindest. Die Weisheit von Generationen weißer Drachen hätte durch ihre Adern strömen können und sie wäre beinahe ewig begehrenswert geblieben. Beinahe.
     
    Kurze Zeit später brodelte es im Kessel vor ihren Augen. Der Trank roch wie eine kräftig gewürzte Hühnersuppe. Und das, obwohl da weder ein Huhn noch sonst ein Flattervieh vor sich hinkochte. Sie schätzte den Geruch nicht sonderlich. Er war so ordinär, was ihrer Meinung nach bald nicht mehr zu ihr passen würde. Aber was machte das schon, für den Lohn hätte das Zeug auch nach dem benutzten Fußbad eines begonischen Bergschafes riechen können.
    Nun fehlte nur noch eine Zutat: Wie einen Schatz aus einer anderen Welt streute sie etwas von dem frischen hyazinthischen Rauschpfeffer auf ein kleines Holzbrett und schnitt ihn andächtig mit ihrem goldenen Kräutermesser in passende Stücke.
    »CARDAMINE!?«, hallte es unwirsch zu ihr in die Turmspitze hinauf.
    »Nicht jetzt«, flüsterte sie und legte ungehalten das Messer ab. Die alte Hexe konnte sie gerade nicht gebrauchen.
    »CARDAMINE SAPOTE VON SCHATTENGRÜN ... ICH STERBE ... MEIN HERZ ... KOMM UND HALTE MEINE HAND!«
    »Ja, Mutter«, sagte Cardamine leise. Es war völlig unwichtig, in welcher Lautstärke sie antwortete. Jeder Stein hörte besser als diese alte Schachtel. In der Regel starb sie zweimal pro Nacht und mindestens einmal besonders dramatisch am frühen Nachmittag. Auch dafür, dass ihre Schwester Clusia sie bei ihr zurückgelassen hatte, würde das Miststück bezahlen.
    »WAS MACHST DU DA OBEN HINTER MEINEM RÜCKEN? IST DAS ETWA SUPPE? ICH HABE SCHON SEIT TAGEN NICHTS MEHR GEGESSEN! WILLST DU DEINE EIGENE MUTTER VERHUNGERN LASSEN?«
    Leider konnte die greise Schreckschraube noch riechen, zumindest besser als sich an die letzte Mahlzeit zu entsinnen, die kaum ein paar Stunden zurücklag. Mit einem Blick, der Gebeine bersten ließ, strafte Cardamine einen ihrer Büttel, der wild gestikulierend die Treppe hinweg stürmte und in der Gesindeküche lautstark ein Nachtmahl beauftragte. Sie nahm erneut die

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