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Ninis - Die Wiege der Baeume

Ninis - Die Wiege der Baeume

Titel: Ninis - Die Wiege der Baeume
Autoren: Thariot
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Nobelabsteigen. In diesem Bad hätte sie den ganzen Tag verbringen können, nur inzwischen musste sie sich beeilen, Paul, ihr Boss, hasste Unpünktlichkeit. Bestimmt hatte er schon seinen dritten Apfelsaft hinter sich und kannte nach seiner täglichen Presselektüre bereits wieder alle Börsenkurse auswendig. Er stand über den Dingen, seine Art sich um andere zu bemühen, begnügte sich in der Regel damit Trinkgeld zu geben. Und es gab nichts, was er sich nicht zu kaufen pflegte.
    Leas Blicke verweilten noch einen Moment auf der Narbe, kaum zwei Zentimeter breit, direkt über dem Schlüsselbein, eine Handbreit daneben und es hätte damals ihre Kehle zerrissen. Immerhin wäre es dann vorbei gewesen, nur kam alles anders: das Projektil hatte ihr bloß den Trapezmuskel durchschlagen und bescherte ihr einige Tage Bettruhe. Nach der Genesung hatte sie den Dienst quittiert und arbeitete seitdem als Beraterin in der Sicherheitsbranche. Was an sich schon lächerlich war, sie und Sicherheit, aber gut. Nichtsdestotrotz war sie nun in Frankfurt und machte ihren Job. Einen guten Job. Nie wieder würde sie am Ende der Welt ihr Leben riskieren. Für den Frieden? Solche Aktionen waren völlig irrsinnig und zudem noch unterbezahlt. Wenn sie sich schon mal wieder beschießen lassen würde, dann nur für Leute, die ausreichend Trinkgeld gaben.
    Daher stand sie jetzt vor einem Spiegel und machte sich für die Arbeit fertig. Die falschen Fingernägel waren perfekt und das Rot des Lippenstiftes hatte sogar etwas Lasterhaftes. Kaliber 223 Remington, feixte ihr Ohrbewohner, der sich heute besonders streitbar gab, während sie noch ihre Wimpern in Form brachte. Ein derartiges Kaliber, abgefeuert aus einem M16A4 Sturmgewehr, hinterließ üblicherweise andere Spuren. Womit der kleine Besserwisser nicht ganz unrecht hatte, der enorme hydrostatische Druck von Hochgeschwindigkeitsgeschossen hätte ihren Nacken auf kurze Distanz auch schlicht und ergreifend platzen lassen können, wenn, ja wenn nicht dieser wohlbeleibte Ziegenhirte vor ihr gestanden und mit seinen Rundungen das Schlimmste verhindert hätte. Wie wohl sein Name gewesen war? Der Pechvogel hatte die Verletzungen natürlich nicht überlebt, sein Hintern explodierte vor ihren Augen. Alles war voll Blut und Exkrementen. Nicht dass es um den Fettsack schade gewesen wäre, sein Gestank hatte ihr auf zwanzig Meter die Tränen in die Augen getrieben, und bei der Visage war sich Lea zudem sicher, dass seine Eltern Geschwister gewesen sein mussten. Nur, trotzdem hätte er nicht sterben brauchen, sie hätte ihn gerne noch einige weitere Jahre friedlich seine Schafe hüten lassen. Kein Mensch sollte grundlos sterben, nur weil er sich zur falschen Zeit am falschen Ort befand. Den Soldaten, der dem Ziegenhirten den zweiten Anus verpasst und sie dabei versehentlich angeschossen hatte, wollte sie später noch zur Rechenschaft ziehen lassen. Was mit das Dümmste war, das ihr jemals eingefallen war, oder zumindest genauso dämlich wie die Entscheidung, sich in dieses Land am Ende der Welt entsenden zu lassen. Der kommandierende Offizier vermittelte ihr damals äußerst eindrücklich, dass in Afghanistan alliierte Interessen höher im Kurs standen als perforierte Ziegenhirten. Ihr kleiner Mann im Ohr ritt, mit einem Cowboyhut wedelnd, auf einem Schaf in den Sonnenuntergang und sang aus voller Brust, Country roads, take me home to the place I belong, country roads, West Virginia, Mountain Mama, take me home, country roads, wofür Lea ihn am liebsten mit einer Schrottflinte von dem hoppelnden Wollknäuel geschossen hätte .
    Sie sollte sich auf andere Gedanken bringen, die leidigen Erinnerungen saßen zu tief, um mit ihnen abzuschließen. Ihre kurzen blonden Haare waren schnell in Form gebracht und auch die Schussnarbe würde nun keiner mehr sehen können. Leas Mutter hatte immer gewollt, dass sie Tänzerin werden sollte, die Figur hatte sie dafür, nur… eigentlich fiel ihr gerade kein Grund ein, nicht Tänzerin geworden zu sein. Bestimmt hatte es einmal einen gegeben.
    Sie verließ das Bad, nackt, ein kurzer Blick durch den Raum, zur Tür und zum Fenster. Alles war dort, wo es sein sollte. Mit geschlossenen Augen hielt sie kurz inne, nur der Nachrichtensprecher im Fernsehen spulte sein übliches Programm ab.
    Die Bundeskanzlerin dankt dem Konsortium der internationalen Energiewirtschaft für deren besonderes Engagement zum sicheren weltweiten Ausstieg aus der Atomenergie.
    Lea war alleine, das war
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