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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
Autoren: Ernst Peter Fischer
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zu verstehen, etwa den Transport von Sauerstoff durch das Blut und die damit gewährleistete Versorgung der Organe mit dem gasförmigen Element. Als Professor an der Universität Kopenhagen lernte er seine künftige Frau kennen, die als Studentin seine Vorlesungen besuchte. In seiner Funktion als Lehrstuhlinhaber war Christian Bohr berechtigt, eine große Wohnung in den Räumen der Chirurgischen Akademie zu beziehen. 1886 zog die Familie mit dem neugeborenen Niels dort ein, wobei dieser Wechsel langfristig angelegt war, da die Kinder von dort aus nur einen kurzen Weg zur Schule zurücklegen mussten.
    Christian Bohr steht heute natürlich im Schatten seiner Söhne Niels und Harald (der als Mathematiker berühmt wurde). Wer aber
im Lexikon das Stichwort »Bohr-Effekt« nachschlägt, findet auch einen Hinweis auf den Vater. Christian Bohr hatte bei seinen Messungen und Beobachtungen mit Patienten bemerkt, dass die Neigung von Sauerstoff, sich an den roten Blutfarbstoff, das Hämoglobin, zu binden, von der Anwesenheit von Kohlendioxid (CO 2 ) im Blut abhängt. Der Bohr-Effekt sorgt letzten Endes dafür, dass Sauerstoff vor allem in den Geweben freikommt, in denen er gebraucht wird, weil dort große Aktivität (Stoffwechsel) herrscht. Seinem Entdecker ist für diese physiologisch relevante Einsicht in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts sogar eine besondere Ehre zuteilgeworden. Als einer der ersten Physiologen wurde Christian Bohr für den damals neu eingerichteten Nobelpreis für Medizin vorgeschlagen. Sein früher Tod im Jahr 1911 hat ihm jedoch die Chance genommen, von der Schwedischen Akademie ausgewählt zu werden – was auch deshalb zu bedauern ist, weil es uns heute daran hindert, ein Bohr-Trio vom Vater über den Sohn zum Enkel als Laureaten vorzustellen.
    Zu den Nebentätigkeiten von Christian Bohr gehörte die Gründung des Fußballvereins Akademisk Boldklub an der Universität, in dem sich seine Söhne gern und erfolgreich sportlich betätigten. Niels’ Bruder Harald hat es dabei sogar zu großen Ehren gebracht, da er zu dem Team gehörte, das 1908 bei den Olympischen Spielen die Silbermedaille für sein Land gewinnen konnte – was den Ruhm der Familie Bohr in Dänemark noch mehrte.
    Weiteren Einfluss auf seine Söhne – vor allem auf Niels – übte Vater Christian mit der Verehrung für die Werke Goethes aus. Es war vor allem der Faust, von dem Christian Bohr zahlreiche Passagen auswendig aufzusagen wusste, und zwar in der deutschen Sprache, die er neben der englischen auch seinen Söhnen ans Herz legte. Er ermöglichte ihnen, beide Sprachen zu lernen und zugleich die dazugehörigen Kulturen besser kennenzulernen – ein Umstand, der die Physiker später verzweifeln ließ, wenn Niels Bohr in den Seminaren um die Worte rang, mit denen er seine Einsichten in den Aufbau der Atome ausdrücken wollte. Bohrs Gedanken entstanden tatsächlich beim Reden, um alle möglichen Sichtweisen zu erfassen, sprach er »minutenlang in einer traumartigen, visionären und wirklich sehr
unklaren Weise«. Bei diesem zugleich rücksichtsvollen wie rücksichtslosen Vorgehen machte Bohr hemmungslos von allen drei Sprachen Gebrauch, die ihm zur Verfügung standen, was konkret bedeutete, dass er einen dänisch-deutsch-englischen Mischmasch produzierte, wobei er zumeist noch nuschelte und manchmal sogar mit der Pfeife im Mund sprach.
    Klarheit beim Reden war Bohrs Sache leider nicht, was ihn aber nicht daran hinderte, ab und an überraschende Wendungen in Worte zu fassen, in denen so etwas wie Wahrheit aufschimmerte. Als sein Vater dem gerade schulpflichtigen Niels die Schönheit der Natur erklären wollte und dazu die Aufmerksamkeit auf einen Baum lenkte, um von den großen Ästen und kleinen Zweigen zu schwärmen, an deren verzweigten Enden die Knospen zu blühen begannen, hörte der Sohn andächtig zu, wunderte sich dann allerdings: »Aber wenn das nicht so wäre, dann wäre das da doch kein Baum.«
    Niels Bohrs Vortragsstil wurde selbst von seinem Bruder Harald kritisiert, der ihm vorwarf, über Dinge zu sprechen, von denen er behauptete, sie später noch erklären zu wollen. Er, Harald, bemühe sich umgekehrt, über Dinge zu sprechen, die er zuvor erklärt habe. Niels Bohr wusste, dass er kein brillanter Redner war. Wenn jemand ihn allerdings auf seine Vortragsweise ansprach, pflegte er die Geschichte von einem Rabbi zu erzählen, der für seine geheimnisvollen Reden berühmt war: »Ich habe den Rabbi dreimal gehört. Beim
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