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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Zahlenwerte dar, und Riemann war aufgefallen, dass spezielle Werte seiner eleganten Konstruktion – ihre Nullstellen – auf einer Linie lagen, was ungewöhnlich war. Seine Bemühungen, diese Vermutung zu beweisen, sind zwar gescheitert, aber die damit gestellte Aufgabe ist dringend geblieben, weil mit Riemanns Idee und mathematischer Vorgabe unter anderem die Sicherheit der Codes
verbunden ist, mit denen Banken operieren und unsere Konten freigeben oder sperren. Um Gewissheit hierüber zu erlangen, haben die Mathematiker ein Preisgeld von einer Million US-Dollar für den Beweis der Riemann’schen Hypothese ausgesetzt. Harald Bohr hätte sich über so viel Interesse an seinem Thema gefreut, sich ansonsten aber unabhängig von finanziellen Anreizen der ungestörten Freude des Nachdenkens über mathematische Fragen hingegeben.

Als Schüler und Student
    Nach Absolvierung der Gammelholm-Schule in Kopenhagen schrieb sich Niels Bohr 1903 zum Studium der Physik an der Universität seiner Heimatstadt ein. Sein Interesse an den Naturwissenschaften kann mit dem väterlichen Vorbild erklärt werden, durch das der junge Niels auch ermutigt wurde, sich mit der englischen Kultur zu beschäftigen, die um 1900 auf dem Gebiet der Physik durch große Namen wie Michael Faraday, James Clerk Maxwell, William Thomson (meist als Lord Kelvin bezeichnet), John William Strutt (bekannt als Lord Rayleigh), Ernest Rutherford und Josef John (J. J.) Thomson von sich reden gemacht hatte; der zuletzt Genannte etwa konnte 1897 nachweisen, dass es in Atomen eigenständige Elektronen gab. Die englische Physik war natürlich nur ein Teil der insgesamt sich dramatisch entwickelnden Naturwissenschaft, der es im ausgehenden 19. Jahrhundert gelungen war, die Röntgenstrahlen zu entdecken, mit der Radioaktivität umzugehen und elektromagnetische Radiowellen herzustellen.
    Vielfältig waren damals also die Gründe, sich mit Physik zu befassen, doch bevor Bohr sich in dieses Fach vertiefte, blieb ihm noch Zeit für die Lektüre von philosophischen und literarischen Werken. Mit den weitgehend religiösen und zur Verteidigung des Christentums verfassten Schriften seines Landsmann Søren Kierkegaard wusste Bohr allerdings herzlich wenig anzufangen. Die Überlegungen des erwähnten väterlichen Freundes Harald Høffding lagen ihm näher, vor allem wenn sie sich mit dem »Humor als Lebensgefühl«
beschäftigten und so optimistisch klangen, wie Bohr sich fühlte.
    Was den Studenten der Physik neben seinem Fach wohl sehr beeindruckt und ausführlich beschäftigt hat, ist in dem unvollendeten Roman En dansk students eventyr (»Das Abenteuer eines dänischen Studenten«) des Philosophen Poul Martin Møller enthalten, der großen Einfluss auf Kierkegaard ausübte und 1843 mit der Niederschrift begann. Niels Bohr schwärmte von diesem Büchlein, in dem sich die Hauptfigur, der fiktive Student, unter anderem mit der Frage nach der Herkunft der Gedanken quält. Wo, wann, wie und woraus entstehen sie? Bei Møller findet sich eine Stelle, die Bohr wohl fasziniert haben muss: »Wenn du einen Satz schreibst, musst du ihn vor dem Aufschreiben im Kopf haben, bevor du ihn aber im Kopf hast, musst du ihn gedacht haben, wie willst du denn sonst wissen, dass ein Satz formuliert werden kann? Und bevor du daran denkst, musst du doch eine Idee davon gehabt haben, wie wäre es dir sonst eingefallen, ihn zu denken?«
    Beim Verfertigen seiner Gedanken ließ diese Vorstellung Bohr nicht los, was natürlich nur dazu führte, dass er sich beim Sprechen dauernd verhaspelte. Wie konnte man konkret von ihm verlangen, einen Satz schon im Kopf zu Ende gedacht zu haben, bevor er ihn formulierte? Wie konnte er praktisch wissen, was er sagen wollte, solange er nicht hörte, wie weit seine Gedanken waren? Wie kann jemand – allgemein gesehen – auch nur versuchen, Beobachter und Beobachtetes zugleich zu sein, um das Subjekt, das man selbst ist, zu dessen Objekt zu machen?
    Auch auf diese Dilemmata geht Møllers Student ein, wenn er einem freundlichen Gesprächspartner namens Fritz gegenüber offenbart: »Bei vielen Gelegenheiten teilt sich ein Mann in zwei Personen auf, von denen der eine versucht, den anderen zu hintergehen, während ein dritter, der in Wahrheit derselbe wie die ersten beiden ist, sich über diese Konfusion wundert. Kurzum, Denken wird ein dramatischer Vorgang, der die kompliziertesten Abläufe mit sich selbst hervorbringt, und der Zuschauer wird immer wieder zum
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