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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
Autoren: Ernst Peter Fischer
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schien, die stabile Ordnung der Materie erklärbar zu machen und das periodische System der chemischen Elemente zu erfassen, aus dem das Universum besteht.

Der Sokrates unter den Physikern
    Bohr war und bleibt der gute Mensch von Kopenhagen, der uns staunenden Mitmenschen sowohl durch sein Leben als auch durch sein Denken gezeigt hat, wie die bessere Welt sein könnte, von der wir alle träumen. Der stets um jedes Wort ringende und sich unentwegt auf Kosten von Klarheit um Wahrheit mühende Bohr muss vor allem im persönlichen Umgang eindrucksvoll und einnehmend gewirkt haben, wie der amerikanische Physiker John A. Wheeler einmal ausgedrückt hat: »Man kann über Buddha, Jesus, Moses oder Konfuzius wie über Menschen sprechen, aber was mich überzeugt hat, dass es solche Figuren als Menschen tatsächlich einmal gegeben haben kann, das waren meine Gespräche mit Bohr.« Wheelers Eindrücke zeigen einmal mehr, welche Wirkung Bohr bei ihm und anderen hinterlassen haben muss.
    »Bohr war der nicht ruhende Meister des Fragens«, wie etwa Carl Friedrich von Weizsäcker noch als junger Physiker bei zahlreichen Gelegenheiten erleben konnte. Weizsäcker schwärmte von Bohr als dem »Sokrates unter den Physikern«, der zwar unter seinem Denken zu leiden hatte, aber auch zum Lehrer für jene Generation der Naturforscher wurde, die in den 1920er und 1930er Jahren das neue, bis heute gültige wissenschaftliche Weltbild entwarf und im Zweiten Weltkrieg eindrücklich zu zeigen in der Lage war, welche ungeheure Energie die Spaltung von Atomkernen freisetzen kann.
    Bohr selbst erzählte gern folgende Geschichte über den griechischen Philosophen: Nachdem Sokrates mit einem anderen Philosophen – einem Sophisten, der hier ungenannt bleiben soll – gesprochen hatte, brach sein Gesprächspartner zu einer längeren Reise
durch Kleinasien auf. Nach der Rückkehr spazierte der Sophist erneut durch die Straßen Athens und traf dabei Sokrates im Gespräch mit anderen. »Meine Güte«, rief der Philosoph aus, »da bist du ja immer noch, Sokrates, und sagst dasselbe über dieselben Dinge.« »Natürlich«, erwiderte der Angesprochene, »das mache ich, während du, als schlauer Mann, sicher niemals dasselbe über dieselben Dinge sagst.«

Die Einsicht beim Spülen
    Wenn sich Menschen treffen, die Bohr gekannt haben und von ihm erzählen wollen, oder wenn sich Wissenschaftler über seinen Rang und seine Bedeutung verständigen, dann kommen unvermeidlich Anekdoten zur Sprache, die Bohrs eigentümlich dialektischen Witz und wachsame Menschlichkeit zeigen. Eine besonders eindrucksvolle Geschichte erzählt Werner Heisenberg (1901–1976) in seiner Autobiographie Der Teil und das Ganze . Das Geschehen spielt im Jahr 1933 auf einer Almhütte am Ende eines anstrengenden Skitags. Nach dem Essen muss Ordnung gemacht werden, und Bohr wird die Aufgabe zugeteilt, in der Küche das Geschirr zu spülen. Bei dieser für ihn ungewohnten Tätigkeit fällt dem Physiker plötzlich etwas Wunderbares auf – und es ist anzunehmen, dass Bohr seine Gedanken tatsächlich in der deutschen Sprache ausgedrückt hat, da er sie ebenso beherrschte und liebte wie seine dänische Muttersprache: »Mit dem Geschirrwaschen ist es doch genau wie mit der Sprache. Wir haben schmutziges Spülwasser und schmutzige Küchentücher, und doch gelingt es, damit die Teller und Gläser schließlich sauber zu machen. So haben wir in der Sprache unklare Begriffe und eine in ihrem Anwendungsbereich in unbekannter Weise eingeschränkte Logik, und doch gelingt es, damit Klarheit in unser Verständnis der Natur zu bringen.«
    Carl Friedrich von Weizsäcker, der mit von der Partie war, erinnert sich, dass diese Geschichte damit noch nicht zu Ende war. Als Bohr voller Stolz sein Werk – die gereinigten Teller und blitzblanken
Gläser – betrachtete, meinte er noch mit seinem verschmitzten Lächeln: »Dass man mit schmutzigem Wasser und einem schmutzigen Tuch schmutzige Gläser sauber machen kann, wenn man das einem Philosophen sagen würde, er würde es nicht glauben.«
    Der Vergleich mit dem Spülen erhellt, wie Wissenschaft funktioniert und zu neuen Erkenntnissen führt: Eine unklare Idee wird in einem unklaren Experiment geprüft und das Ergebnis in unklaren Worten ausgedrückt. Es ist das Zusammenspiel von allen drei Komponenten – beim Spülen das Geschirr, das Wasser und der Lappen –, mit dessen Hilfe die erwünschte Klarheit entsteht. Der Versuch, Einsichten in die Natur unter
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