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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
Autoren: Ernst Peter Fischer
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des Königreichs Dänemark, festschrieb (wobei die Entwicklung des dänischen Nationalbewusstseins durch die Niederlage im Krieg gegen den Deutschen Bund 1864 wieder arge Einschnitte hinnehmen musste). Im Verlauf der Industrialisierung werden neue Konzepte in der Sphäre der Arbeit und Wirtschaft entwickelt und alte Vorstellungen bis zur Unkenntlichkeit verändert: zum einen die Energie und deren Verteilung – sie muss für den Maschinenverbrauch berechnet und geliefert werden –, zum anderen die Gesundheitsvorsorge, um die sich vor 1800 noch jeder Einzelne mühsam selbst kümmern musste, die aber nun durch eine zunehmende Zahl von Chemieunternehmen mit ihren pharmazeutischen Angeboten allgemein erleichtert wird; das Zeitalter von Aspirin und anderen Tabletten bricht ab 1900 an.
    Im 19. Jahrhundert wird das Versprechen erfüllt, das von dem nachhaltigen Geschehen zu Beginn des 17. Jahrhunderts – die »Geburt der modernen Wissenschaft in Europa« – gegeben wurde. Die Art, wie Menschen leben und Gemeinschaften sich entwickeln, wird seit dieser Zeit verstärkt durch die Fortschritte von Wissenschaft und Technik bestimmt. Wenn der Philosoph Hegel zu Beginn des 19. Jahrhunderts lehrt, dass Geschichte nicht mehr etwas ist, das Menschen zustößt und sich als Chronik fassen lässt, sondern etwas,
das von ihnen selbst geschaffen wird, dann stellt er dies auch vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses von Wissenschaft und Technik fest, mit dem sie nicht nur den Alltag umgestalten, sondern auch in die soziale und politische Praxis eingreifen.
    Zwei Beispiele zur Erläuterung: Zum einen gibt es seit 1800 Batterien und damit zum ersten Mal den Strom, der bald aus einem Elektrizitätswerk kommt, Maschinen betreibt und die Nacht erleuchtet. Ohne diese Form der Energie könnten heutige europäische Gesellschaften keinen Tag überleben, weil etwa all ihre Pumpen und sämtliche Kommunikationssysteme stillstünden. Zum anderen lernen Mathematiker vor zweihundert Jahren, wie mit dem Zufall und den dazugehörigen Wahrscheinlichkeiten umzugehen ist, was viele Wirklichkeiten in Statistiken verwandelt, mit denen nicht nur die Bürger ganz selbstverständlich umzugehen gelernt haben, sondern erst recht die Versicherungsgesellschaften, die sich in diesen Tagen gründen. »Die Verwandlung der Welt«, die im 19. Jahrhundert tatsächlich vonstattengeht, in dem unter anderem die weltweiten Verkehrsnetze gespannt und die dazugehörigen globalen Zeitzonen eingerichtet werden, geschieht auf dem fruchtbaren Boden von kulturellen Entwicklungen, zu denen zwei Traditionen maßgeblich beitragen, die zwar völlig verschieden sind, jedoch sehr eng zusammengehören und sich sogar gegenseitig bedingen: die politischen, philosophischen, literarischen und wissenschaftlichen Denkweisen, die als Aufklärung und Romantik bezeichnet werden.
    In der Schule lernen wir, dass es vor allem der Gedanke der Aufklärung ist, wie er etwa in den Schriften von Immanuel Kant im Verlauf des 18. Jahrhunderts zum Ausdruck kommt, dem wir unser politisches und kulturelles Denken und Handeln verdanken. Und stimmt das etwa nicht? Haben viele Menschen heute nicht genau den Mut, den der Philosoph in seinen Schriften gefordert hat und der sich darin zeigt, dass sie erfolgreich ihrer als ursprünglich eingestuften Unmündigkeit entkommen sind und souverän den eigenen Verstand benutzen?
    Zweifellos treffen wir viele Entscheidungen selbst, bilden uns gern eine eigene Meinung, kritisieren die Herrschenden und wollen
bei allen Zukunftsthemen mitbestimmen. Diesen aufgeklärten Zustand unseres demokratischen Gemeinwesens lassen wir uns hoffentlich von niemandem mehr nehmen oder streitig machen. Wer braucht da noch die »Revolution der Romantik«, wie der Ideenhistoriker Isaiah Berlin die Gegenbewegung zur Rationalität der Aufklärung nennt, die um 1800 in Gang gekommen ist? Deren schwärmerische Vertreter sind anfangs belächelt worden, weil sie sich scheinbar in dunkle Traumwelten flüchteten und als Taugenichtse der bürgerlichen Wirklichkeit den Rücken kehrten.
    Wer so denkt, hat weder erfahren noch bemerkt, dass »die von uns Romantik genannte Bewegung die Ethik und die Politik der Neuzeit in einem viel größeren Ausmaß [veränderte], als uns bisher bewusst geworden ist«, wie Isaiah Berlin 1996 in seinen Untersuchungen zum Wirklichkeitssinn darlegte. Die Vertreter der Romantik produzieren dabei keinen »himmelblauen Klingklang« (Peter von Matt). Sie vollziehen vielmehr
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