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Nie Wirst Du Entkommen

Nie Wirst Du Entkommen

Titel: Nie Wirst Du Entkommen
Autoren: Karen Rose
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vielleicht für sich selbst.

Sonntag, 12. März, 1.15 Uhr
    Halb erstaunt, halb verärgert hatte Aidan beobachtet, wie Murphy noch eine Weile lang Ciccotellis Wagen nachgeblickt hatte, bevor er sich wieder seiner Arbeit zuwandte und in den Profi verwandelte, den Aidan zu schätzen gelernt hatte. Murphy hatte die Gerichtsmedizin und die Spurensicherung eingewiesen, und Aidan hatte sich mit den beiden Jugendlichen unterhalten.
    Die Kids hatten nichts Neues zu sagen. Nur dass Adams auf das Geländer »zugeglitten« war, sich dort umgedreht hatte und mit ausgestreckten Armen hinuntergestürzt war. Er hatte die beiden mit ihren Eltern nach Hause geschickt. Nach solch einer Erfahrung würden sie nie wieder dieselben sein.
    Nun standen Murphy und er vor Cynthia Adams’ Wohnung und beobachteten den betrunkenen Hausmeister, der sein Bestes gab, um den Schlüssel ins Schloss zu manövrieren. Jim McNulty hatte den Sieg der Bulls offensichtlich gefeiert und sich in seiner Lieblingsbar volllaufen lassen. Sie hatten gerade schon aufgeben wollen, als er torkelnd und mit klimperndem Hauptschlüssel angekommen war. Die Gerichtsmedizin hatte soeben Cynthia Adams’ Leiche auf eine Bahre gehoben, und weil sie sie nicht von dem Zaun hatten trennen können, hatten sie ein Stück davon absägen müssen. Der Hausmeister hatte sie wegen des Zaunstücks angeschnauzt, bis sein Blick auf den toten Körper gefallen war.
    Seitdem hatte er kein Wort mehr gesagt.
    »Wie lange kannten Sie Miss Adams?«, fragte Aidan und zog den Kopf ein, als der Seufzer des Mannes eine stinkende Alkoholwolke hervorbrachte. Was für ein Glück, dass nirgendwo offenes Feuer war. McNulty war bis oben hin voll. »Seit drei Jahren. Sie ist vor drei Jahren eingezogen.« Er drückte die Tür auf, und Aidan fielen sofort zwei Dinge auf. Erstens, dass es in der Wohnung eiskalt war, was er natürlich erwartet hatte. Die Balkontür stand seit über einer Stunde offen. Der überwältigende Duft der Blumen jedoch ließ ihn blinzeln. In Cynthia Adams’ Wohnung befanden sich mehr Blumen, als er je bei einem Floristen gesehen hatte.
    Murphy runzelte die Stirn. »Was ist das denn?«
    »Lilien.« Aidan betrat die Wohnung und hob zögernd eine auf. »Begräbnisblumen.«
    »Meine Güte«, murmelte Murphy und ließ den Blick durch das Wohnzimmer gleiten. »Das sind ja Unmengen. Die müssen locker hundert Dollar gekostet haben.«
    Aidan zog eine Braue hoch. »Mindestens dreimal so viel.« Als Murphy ihn fragend ansah, zuckte er die Schultern. »Ich habe auf dem College mal einen Gartenbaukurs belegt.« Er nahm den obersten Brief von einem dicken Stapel, der auf einem Tischchen im Eingangsbereich lag. »Ziemlich viel Post.« Er wandte sich an den Hausmeister. »War sie weg?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. Auf der Oberlippe war ein Schweißfilm erschienen, und sein Blick huschte von hier nach da. »Nein. Aber sie war mit der Miete einen Monat im Rückstand. Zum ersten Mal in den drei Jahren, die sie hier gewohnt hat. Der Verwalter meinte, ich soll sie im Auge behalten, damit sie nicht heimlich auszieht.«
    Aidan durchquerte vorsichtig das Wohnzimmer, um nicht auf die Blumen zu treten, und blickte auf den Balkon hinaus. »Eine Trittleiter«, rief er Murphy zu. »Die Jugendlichen meinten, sie sei das Geländer hinaufgeglitten. Sie hat eine Trittleiter benutzt.«
    »Sehr praktisch gedacht.«
    Der Hausmeister taumelte zur Balkontür. »Die war vor einer Woche noch nicht hier. Ich war neulich hier, um einen tropfenden Wasserhahn zu reparieren, und da stand das Ding noch nicht da.«
    »Wenn Sie am Wasserhahn zu tun hatten, wieso haben Sie dann den Balkon sehen können?«, fragte Murphy sanft.
    Der Hausmeister wurde blass. »Ich wollte eine rauchen.«
    »Sie hat die Leiter also extra für das große Ereignis dorthin plaziert«, murmelte Murphy, dann wurde seine Stimme jedoch scharf. »Aidan.«
    Aidan fuhr herum. Murphy hielt ein Papier zwischen zwei behandschuhten Fingern. Seine Lippen waren zu einem Strich zusammengepresst. Es war ein Foto, auf glänzendem Papier gedruckt. Darauf war eine Frau zu sehen, die an einem Seil baumelte, die Füße gut einen halben Meter über dem Boden. Ihr Gesicht sah grotesk aus, die Augen quollen hervor, und der Mund stand offen, als ob sie um Luft rang.
    »Wer ist das?«, fragte Murphy den Hausmeister.
    Der Mann wich einen Schritt zurück; sein Gesicht war noch eine Spur blasser geworden. »Weiß ich nicht. Hab ich noch nie gesehen. Ich glaube, ich muss
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