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Nie Wirst Du Entkommen

Nie Wirst Du Entkommen

Titel: Nie Wirst Du Entkommen
Autoren: Karen Rose
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dasselbe dunkle Haar und dieselben blauen Augen, obwohl Aidans härter und nüchterner wirkten. Seine Gesichtszüge waren schärfer, sein Kiefer ein wenig kantiger. Der Mund … weicher, bevor er sie erkannt hatte. Er hatte das Potenzial für Leidenschaft.
Aber nicht mir gegenüber.
    »Tess, er …« Murphy brach ab.
    »Mag mich nicht«, sagte sie mit aufgesetzter Heiterkeit. »Schon in Ordnung, Todd. Das geht vielen so.«
    Sein Seufzen war tief und traurig. »Er war damals im Gerichtssaal.«
    Murphy musste nicht erst sagen, um welchen Tag, um welchen Prozess es sich handelte. Sie wussten es beide. Harold Green hatte brutal drei kleine Mädchen getötet. Aber der Obdachlose hatte nicht drei Sechsjährige mit Pferdeschwänzen und Zahnlücken gesehen, sondern Dämonen mit blutigen Reißzähnen, die ihn zerfetzen wollten. Sie war zunächst sehr skeptisch gewesen, aber nach etlichen Stunden Beobachtung und einer eingehenden Beratung mit den Ärzten, die Harold Greens Schizophrenie viele Jahre lang zu behandeln versucht hatten, hatte sie ihm glauben müssen. Der Mann war tatsächlich verrückt. Und deshalb laut Gesetz nicht für seine Taten verantwortlich. Genau das hatte sie vor Gericht ausgesagt, obwohl es ihr kaum gelungen war, bei all den verächtlichen und sogar hasserfüllten Blicken aus dem Publikum ihre kühle Fassade aufrechtzuerhalten.
    Sie hielten sie für eiskalt, all die Cops, die sich an jenem Tag im Gerichtssaal aufgehalten hatten. Sie wusste es. Sie glaubten, sie hatte sich von einem rücksichtslosen Mörder täuschen lassen. Sie glaubten, dass ihr die Tränen der Eltern nichts ausmachten.
    Aber sie irrten sich. Und wie sie sich irrten.
    Dass Detective Reagan an jenem Tag auch dort gewesen war, erklärte vieles. Noch immer stand er auf der anderen Straßenseite und starrte sie mit unverhohlener Feindseligkeit an. Tess war die Erste, die den Augenkontakt unterbrach, indem sie in Murphys besorgtes Gesicht blickte. »Ich verstehe.«
    »Nein, tun Sie nicht. Nicht ganz. Er hat das dritte Mädchen gefunden.«
    Sie packte das Steuer fester. Sie war an diesem Tag bei Green gewesen und hatte aus ihm herausgebracht, wo das dritte Mädchen versteckt war. Er hatte behauptet, es wäre noch am Leben. Aber als die Polizei ankam, stellte sich heraus, dass das nicht der Fall war. Tess hatte nicht gewusst, wer das Mädchen gefunden hatte. Und sie hatte es auch nicht wirklich wissen wollen. Dass sie den Ort nicht rechtzeitig genug hatte herausfinden können, war bitter gewesen.
    Und wie musste es erst dem Menschen ergangen sein, der die Kinderleiche schließlich entdeckt hatte? »Ja, das erklärt es wirklich. Er hat ein Recht auf seine Wut.«
    »Er ist ein guter Mensch, Tess. Und ein guter Cop.«
    Sie nickte. »Schon gut, Murphy, wirklich. Ich verstehe jetzt.« Und das tat sie. Besser, als sich irgendjemand vorstellen konnte. »Könnten Sie mir meine Schlüssel holen? Sie sind unters Auto gefallen.«
    Murphy seufzte. »Okay. Ich rufe Sie morgen an. Ich brauche Cynthia Adams’ Akte.« Er tastete auf dem Asphalt und hob ihren Schlüssel auf.
    Tess nickte und spürte Erleichterung, als der Motor verlässlich mit einem Grollen zum Leben erwachte. Sie wollte die Tür zuziehen, als sie innehielt. »Sagen Sie Ihrem Partner …« Aber was immer sie zu sagen hatte – es würde nichts ändern. »Ach, schon gut. Danke, Todd. Wie immer.«
    Ihre Hände bebten, als sie anfuhr. Sie gab sich drei Blocks, dann fuhr sie in eine ruhige Seitenstraße, ließ den Kopf auf das Steuer sinken und die Tränen laufen
. Verdammt, Cynthia, warum hast du mich nicht angerufen? Warum hast du dir das angetan?
    Aber sie wusste es ja. Genau wie sie wusste, dass sie nichts hätte tun können, um die Frau daran zu hindern. Sie konnte nur Menschen helfen, die sich helfen lassen wollten. Die anderen taten, was immer sie für richtig hielten. Das wusste sie. Aber das Wissen machte es nicht erträglicher.
    Cynthia Adams hatte gelitten und sich für etwas schuldig gefühlt, über das sie keine Kontrolle gehabt hatte. Ihren eigenen Tod jedoch hatte sie kontrollieren können. Und darin lag die bittere Ironie.
    Vollkommen erschöpft fuhr Tess wieder an und zu ihrer Wohnung. Heute Nacht würde sie nicht mehr schlafen. Cynthias Akte war zentimeterdick. Es würde mehr als nur ein paar Stunden dauern, für Murphy und seinen zornigen Partner die wichtigen Fakten herauszusuchen. Aber das war das wenigste, was sie tun konnte. Für Aidan Reagan und Cynthia Adams.
    Und
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