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Nie Wirst Du Entkommen

Nie Wirst Du Entkommen

Titel: Nie Wirst Du Entkommen
Autoren: Karen Rose
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auf dich.«
    »Jetzt wie ein Kind. Wie ein kleines Mädchen.«
    »Bitte, Cynthia. Ich habe solche Angst.« Das Mädchen konnte wirklich gut mit der Stimme umgehen. Es konnte problemlos von einer Erwachsenen zu einem Kind, von der toten Melanie zu der Psychiaterin Ciccotelli überwechseln. »Bitte komm.« Sie holte tief Luft und stieß sie bebend wieder aus. »Ich brauche dich.«
    Und dann war es geschafft. Das Mädchen stieß einen entsetzten Schrei aus, als Adams fiel. Zweiundzwanzig Stockwerke. Sogar im Auto hörten sie den Aufschlag des Körpers. Tja, vielleicht war sie als Leiche doch nicht mehr so attraktiv. Aber Schönheit lag im Auge des Betrachters, und Adams’ Anblick, wie sie mit zerschmetterten Gliedern halb auf dem Gehweg lag, war … atemberaubend. Das Mädchen auf dem Beifahrersitz schluchzte hysterisch.
    »Reiß dich zusammen. Du musst noch einen Anruf erledigen.«
    »O Gott, o Gott!« Sie wandte sich vom Beifahrerfenster ab, als der Wagen an Adams’ Leiche vorbeifuhr. »Ich kann nicht glauben, dass … Gott, mir wird schlecht.«
    »Aber nicht in meinem Auto! Nimm das Telefon. Los!«
    Schaudernd griff sie nach dem Telefon. »Ich … ich kann nicht.«
    »O doch. Drück auf die Kurzwahl eins. Das ist die Privatnummer von Ciccotelli. Wenn sie drangeht, sagst du ihr, dass du eine besorgte Nachbarin von Cynthia Adams bist. Sie würde auf der Brüstung stehen und springen wollen.«
    Sie wählte und wartete. »Es geht keiner ran. Sie schläft bestimmt.«
    »Dann ruf noch einmal an. Lass es klingeln, bis die Prinzessin drangeht. Und mach den Lautsprecher an. Ich will das hören.«
    Beim dritten Versuch war es so weit. »Hallo?«
    Sie hatte tatsächlich geschlafen. Am Samstagabend allein zu Hause. Es war sehr befriedigend zu wissen, dass selbst Ciccotellis Privatleben eine bekannte und kontrollierbare Größe war. Ein Stoß veranlasste das Mädchen, ihren Text aufzusagen. »Dr. Ciccotelli? Dr. Tess Ciccotelli?«
    »Ja. Wer ist da?«
    »Eine … eine Nachbarin von einer Ihrer Patientinnen. Cynthia Adams. Da stimmt etwas nicht. Sie steht am Balkongeländer. Sie sagt, sie will springen.« Mit geschlossenen Augen beendete das Mädchen den Anruf und ließ das Handy in den Schoß fallen. »Mir reicht’s.«
    »Für heute Abend schon.«
    »Aber …« Sie fuhr herum, den Mund geöffnet. »Aber Sie haben doch gesagt …«
    »Dass dein Bruder am Leben bleibt, wenn du mir hilfst. Und ich brauche deine Hilfe noch länger. Übe weiter an Ciccotellis Stimme. Du musst sie in ein paar Tagen noch einmal spielen. Für heute Abend sind wir fertig. Ein Wort darüber, und dein Bruder stirbt.«
    Ciccotelli war im Anmarsch.
Mögen die Spiele beginnen.

Sonntag, 12. März, 0.30 Uhr
    N ormalerweise zog ein Selbstmord eine größere Menschenmenge an, selbst in einer exklusiven Gegend wie dieser hier, dachte Detective Aidan Reagan grimmig, als er die Wagentür zuwarf und ihn der kalte Wind erfasste, der vom See herüberwehte. Aber natürlich blieben Leute mit Verstand in einer solchen Nacht im Warmen. Aidan konnte sich den Luxus nicht erlauben. Die Zentrale hatte sich gemeldet, und Aidan und sein Partner waren die Nächsten in der Umgebung gewesen. Und dann ausgerechnet ein verdammter Selbstmord.
    Aber immerhin konnte ihn das von dem Kindermord ablenken, an dem er seit zwei Tagen arbeitete. Er hasste Kindermorde, aber vielleicht hasste er Selbstmorde noch ein bisschen mehr. Blieb nur zu hoffen, dass er die Akte dieser Lebensmüden möglichst rasch vom Tisch bekam, damit er sich wieder um den Kerl kümmern konnte, der einem Sechsjährigen einfach das Genick gebrochen hatte.
    Die Leute, die am Bordstein standen und gafften, sahen aus wie die typischen Twens, die sich in der Stadt vergnügt hatten und nun nach Hause wollten. Sie warteten schweigend und blickten mit einer Mischung aus Entsetzen, morbider Faszination und Mitgefühl auf die Szenerie. Das Entsetzen konnte Aidan verstehen. Leichen sahen niemals hübsch aus, aber jemand, der aus dem zweiundzwanzigsten Stock gefallen war, bot einen Anblick, der das übliche Grauen bei weitem übertraf. Was das Mitleid anging … das würde Aidan sich für die wirklichen Opfer aufheben. Wer behauptete, dass Selbstmord ein Verbrechen ohne Opfer war, hatte noch nie eine betroffene Familie benachrichtigen müssen.
    Aidan hingegen schon.
    Wie schön, wenn diese Gaffer das einmal miterleben könnten. Dann würden sie eine solche Szene gewiss nicht mehr so verdammt faszinierend finden. Aber
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