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Nie Wirst Du Entkommen

Nie Wirst Du Entkommen

Titel: Nie Wirst Du Entkommen
Autoren: Karen Rose
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wenigstens wussten sie, was sich gehörte, und standen brav hinter dem gelben Absperrband, das ein Officer zwischen zwei Laternenmasten gespannt hatte. Ein gelegentliches Stampfen von frierenden Füßen unterbrach dann und wann die unnatürliche Stille. Einer der beiden Uniformierten wartete am Absperrband, der andere der Leiche abgewandt auf dem Bürgersteig.
    Aidan näherte sich dem Officer, sein Abzeichen in der Hand. Selbst nach vier Monaten kam es ihm noch seltsam vor, sich einem Uniformierten vorzustellen, ohne selbst in Uniform zu sein. »Reagan, Morddezernat«, sagte er knapp, dann blieb er wie angenagelt stehen, als ihm der Gestank entgegenschlug und er die Tote aus nächster Nähe sehen konnte. Sein Magen, von dem er geglaubt hatte, er sei nach zwölf Jahren Polizei abgehärtet, krampfte sich zusammen. »Lieber Himmel.«
    Der Beamte nickte nüchtern. »Das habe ich auch gesagt.«
    Aidan ließ seinen Blick rasch über die Reihen identischer Balkone das Haus hinaufgleiten, dann wieder zurück zu dem eisernen Stachel, der aus dem ragte, was einst die Brust der Frau gewesen war. Ihr Oberkörper war aufgerissen, und man sah zerschmetterte Knochen und … Innereien. Einen kurzen Moment lang starrte er sie an und dachte an das andere Mal, dass er so etwas gesehen hatte. Doch dann straffte er die Schultern. Dies war nicht damit vergleichbar. Im anderen Fall war das Opfer unschuldig gewesen. Diese Frau war durch eigenen Wunsch gestorben.
Kein Mitgefühl,
sagte er sich.
    Diese Frau hatte sich zweiundzwanzig Stockwerke tief auf Beton fallen lassen … und auf einen dekorativen, schmiedeeisernen Zaun. Der Zaun war nur ungefähr einen Fuß hoch und bestand aus hübschen Bögen, zwischen denen im Abstand von ungefähr einem Meter jeweils ein spitzer Dorn aufragte. Die Wucht des Aufpralls hatte sie buchstäblich aufgesprengt und ihr Blut in einer Fontäne auf einen schmuddeligen Schneehaufen in einiger Entfernung sprudeln lassen. »Volltreffer«, murmelte er.
    Der Uniformierte verzog das Gesicht. »Sozusagen.«
    Aidan riss sich von dem Anblick los und sah dem Mann ins Gesicht. »Sie sind?«
    »Forbes. Das da drüben ist mein Partner DiBello. Er hält die Menge in Schach.« Forbes schnitt ein Gesicht. »Ich habe beim Münzenwerfen verloren.«
    Aidan betrachtete die Menge, die nicht in Schach gehalten werden musste, aber gelost war gelost. »Hat jemand etwas gesehen?«
    »Zwei Siebzehnjährige sagen, sie sei gegen Mitternacht vom Balkon gesprungen.« Forbes zeigte mit einem behandschuhten Finger nach oben. »Von dem Balkon, wo die Vorhänge flattern. Dritter von links.«
    »Kein Schubs oder Stoß?«
    »Die Kids haben jedenfalls nichts gesehen. Sie meinen, sie sei das Geländer aufwärts geglitten.«
    Aidan runzelte die Stirn. »Geglitten? Klingt nach einem Geist.«
    Forbes hob die Schultern. »Ihre Worte. Die sie übrigens mehrmals wiederholt haben. Sie sitzen im Streifenwagen und warten, dass Sie mit ihnen sprechen. Sie sind ziemlich aufgewühlt.«
    »Arme Kids.« Sie hatten sein Mitgefühl verdient. Diese Erfahrung würde sie noch lange verfolgen. Sie waren erst siebzehn, nur ein Jahr älter als seine Schwester.
    Er schauderte, als er sich vorstellte, dass Rachel solch einen scheußlichen Anblick verarbeiten müsste, dann nickte er in Richtung Menschenmenge. »Kannte sie jemand von denen da?«
    »DiBello hat sie gefragt, aber es sieht nicht so aus.«
    Aidan betrachtete das Gesicht der Frau, das nun aufgedunsen und formlos wirkte. Blut rann aus Ohren, Nase und dem offenen Mund. Der Zaun hatte den Aufprall etwas gemildert, aber jeder Sturz aus solcher Höhe zerschmetterte den Schädel und ließ die Gesichtszüge zu einer makabren, wächsernen Maske erstarren. »Tja, ich denke, jetzt würde sie ohnehin niemand mehr erkennen. Wir müssen in ihre Wohnung. Ist der Hausmeister irgendwo in der Nähe?«
    »Ich habe geklopft, aber er ist nicht da. Ein Nachbar meinte, er sei bei einem Spiel von den Bulls.«
    »Das Spiel war vor zwei Stunden zu Ende. Wo ist er denn jetzt?«
    »Ich habe ihn angefunkt. Aber ich werde es noch einmal versuchen.«
    »Danke. Können wir übrigens die Leute auf die andere Straßenseite schaffen? Und niemand soll Fotos machen. Sagen Sie Ihrem Partner, er soll darauf achten, dass die Leute ihre Fotohandys in der Tasche lassen.« Aidan holte sein eigenes Handy hervor und forderte eine richterliche Anordnung und einen Gerichtsmediziner an. Dann hockte er sich neben die Leiche, um sie genauer zu betrachten.
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