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Nicolai

Nicolai

Titel: Nicolai
Autoren: Christine Balasch
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Nachnamen nun gar nichts gemeinsam
hatte. Zum Leidwesen aller hatte er   das
Sagen in der Kanzlei. Edgar Fröhlich war der Gründer von Fröhlich &
Partner. Mit seinem Ehrgeiz hatte er es geschafft, die Kanzlei ganz nach vorne
zu bringen. Dafür ging er auch gerne mal über Leichen. Und das nicht nur
wörtlich. Er war echt skrupellos, sozusagen. Jedes Mittel war ihm recht, um zu
gewinnen und das verlangte er auch von seinen Mitarbeitern.
    Edgar
Fröhlich hatte einen sehr strengen Blick, er wirkte immer irgendwie unnahbar,
arrogant und selbstgefällig. Ich mochte ihn nicht. Er griff nach einem Glas
Sekt, dass Josi, unsere Auszubildende in der Kanzlei, ihm auf einen silbernen
Tablett servierte. Er erhob sich. „Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich
danke Ihnen für Ihr zahlreiches Erscheinen.“, begann Edgar Fröhlich mit seiner
Rede. „Es gibt heute zwei ganz besondere Anlässe. Einen sehr schönen und leider
einen sehr traurigen. Beginnen wir mit dem traurigen Anlass.“ Edgar Fröhlich
machte kurz eine Pause bevor er weiter sprach. „Eigentlich wissen Sie es ja
alle schon. Dr. Frederik Carl wird in seinen wohlverdienten Ruhestand gehen bzw.
der Gute wird seine Weltreise antreten. Sei es ihm gegönnt. Doch für unsere
Kanzlei wird das ein großer Verlust werden“. Alle Blicke gingen zu Carl, der
etwas verlegen an seiner dunkelblauen Krawatte zupfte. Während Edgar Fröhlich
lobenswert über das Leben und die geleistete Arbeit von Carl sprach, dachte ich
an meine letzten 20 Jahre. Ich sah mich, wie ich mit gerade mal 19 Jahren mit
einem kleinen rosafarbenen Koffer vor meiner Ordensschwester Sophia stand und
mich verabschiedete. Für mich begann damals ein neuer Lebensabschnitt. Es war auch
einfach Zeit dafür. Aufgewachsen in einem kirchlichen Waisenheim, ohne zu
wissen wer Vater und Mutter war, gab mir Schwester Sophia so etwas wie ein
Zuhause. Doch es kam der Zeitpunkt wo ich mein eigenes Leben starten wollte und
vor allem endlich durfte. Ich verspürte eine große Sehnsucht nach dem Leben da
draußen. Schwester Sophia hätte es ja am liebsten gesehen, dass ich in ihren
Orden eintreten würde. Aber ich wehrte mich mit allen Kräften dagegen. Ich
wollte ein ganz normales Leben haben und vor allem einen tollen Job. Ich als Ordensschwester?
Niemals. Was aber nicht bedeutete, dass ich Schwester Sophia nicht liebte. Sie
war eine herzensgute Frau. Sie tat alles, um uns Kindern im Waisenheim ein
schönes Zuhause zu geben. Geschickt hatte sie ein sehr gutes soziales Netzwerk für
das Waisenheim aufgebaut, das uns Kindern einiges ermöglichte. Und Carl gehörte
auch zu diesem Netzwerk. Er und Schwester Sophia kannten sich seit vielen
Jahren. Oft habe ich in ihren Augen ein Leuchten gesehen, wenn Carl das Waisenheim
besuchen kam. Schwester Sophia war bestimmt heimlich verliebt in ihn.
    Carl
hatte viel Gutes für das Kinderheim getan. Nicht nur mit Geld. Schon damals
hatte er so eine warmherzige Ausstrahlung und ein großes Herz. Als Carl mich
das erste Mal erblickte hatte er einen Narren an mir gefressen. Von da an legte
er schützend seine Hand über mich. Manchmal fand das Schwester Sophia gar nicht
so toll, wenn er mich den anderen Kindern bevorzugte. Doch Carl liebte mich wie
eine eigene Tochter. Er selbst hatte ja auch keine eigenen Kinder, nicht mal
eine Frau. Er sagte immer zu mir, wenn ich ihn mal darauf ansprach, dass er
diesen Zug verpasst hätte. Und schließlich hat er doch mich. Zu meinem 19.
Geburtstag spendierte er mir völlig überraschend eine erste eigene Wohnung und sorgte
dafür, dass ich in der Kanzlei Fröhlich & Partner eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsgehilfin
machen konnte. Klar, Schwester Sophia war damals davon gar nicht so begeistert
gewesen. Schwester Sophia? Mein Gott, es ist ja schon eine Ewigkeit her, dass ich
sie besuchen war. Ob sie noch lebte?
    Plötzlich
bekam ich einen leichten Stoß in meine Rippen. Ich erschrak und richtete mich
auf, die Welt hatte mich wieder. Besser gesagt - das Gequatsche von Edgar
Fröhlich. „Träumst du? Mit offenen Augen?“, fragte mich Maria leise und blickte
etwas genervt. „Sieh nach vorne, sie stellen gerade den neuen Rechtsanwalt
vor.“, flüsterte sie mir zu. Ich sah zu Carl, der sich gerade hinsetzte und
seinen übergroßen Blumenstrauß Josi gab, die ihn auch sogleich in eine Vase
stellte. Wir lächelten uns kurz zu. „Nun meine sehr geehrten Damen und Herren. Kommen
wir nun zum nächsten Teil dieser Veranstaltung. Ich möchte Ihnen gerne
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