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Nicolai

Nicolai

Titel: Nicolai
Autoren: Christine Balasch
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Dass es geregnet hatte war inzwischen auch nicht mehr zu sehen. Alles
war schon wieder staubtrocken. Ich schaute nach oben, in den wolkenlosen blauen
strahlenden Himmel. Die Sonne zeigte sich in voller Pracht. Ich überlegte kurz,
ob ich lieber mit der U-Bahn nach Hause fahren sollte, was ja mit dem Karton
viel praktischer wäre, oder ob ich bei diesem schönen Wetter durch den Park entlang
am Waser lieber nach Hause mich begebe. Ach ich werde zu Fuß gehen. So konnte
ich auch besser meinen wirren Gedanken ein wenig nachhängen. Schließlich hatte
ich noch vor ein paar Minuten einen für mich sehr weitreichenden Entschluss
gefasst. Ich hatte gekündigt, ohne zu wissen wie es beruflich für mich
weitergehen würde.
    Langsam
ging ich die Straße entlang bis zur Kreuzung, dann bog ich nach links ab und
ging in Richtung Park. Schon von weitem sah ich das saftige Grün der Bäume und
Wiesen und nach noch ein paar Schritten weiter erblicke ich das Wasser. Auf
einmal stieg in mir ein sehr befreiendes Gefühl auf. Ich wusste, ja ich spürte
ganz genau, dass meine Entscheidung richtig war zu kündigen. Carl hatte Recht.
Ich sollte mir wirklich einen Mann suchen, Heiraten und ein Kind bekommen. Und
dann mache ich das was ich schon immer machen wollte. Gedichte schreiben. Ich
wusste, dass ich großes Talent hatte. Schon in der Schule nahm ich an jedem
Wettbewerb teil und ging jedes Mal mit einem Preis nach Hause. Ja, ich konnte
sehr poetisch sein. Wer weiß, vielleicht würde man meine Gedichte sogar
veröffentlichen.
    Endlich
war ich am Wasser angekommen. Kinder spielten auf der Wiese, verliebte Pärchen
waren zu sehen und mir kam ein Mann mit einem Hund entgegen, der mich
freundlich anlächelte. Meine Stimmung hellte sich ein wenig wieder auf.
    Ich
sah zum Wasser, es glitzerte und funkelte. Nein, ich gehe noch nicht nach
Hause. Ich hab doch Zeit, dachte ich mir und setzte mich auf eine Bank die ein
paar Meter vom Ufer weg stand. Meinen Karton stellte ich neben mir ab. Es war
inzwischen sehr schwül geworden, so dass ich meine Bluse auszog und nur in
meinem weißen Top und in meiner schwarzen Hose da saß. Die Hosenbeine krempelte
ich mir hoch. Meine Ballerinas zog ich auch aus. Es
war ein so schönes Gefühl, mit meinen nackten Füßen über das Gras zu streifen.
Es kitzelte ein wenig, was ich aber als sehr angenehm empfand. Ich kramte nach meinem
Kugelschreiber und meinen Timeplaner im Karton. Ich
hatte auf einmal die Idee, ein Gedicht zu schreiben. Diesen Moment wollte ich
festhalten. Aus dem Timeplaner riss ich eine leere
Seite heraus. Ich drehte mich kurz zu den spielenden Kindern um und wanderte
dann mit meinem Blick zum Wasser. Die kleinen Wellen, die von den vorbeifahrenden
Schiffen und Segelboten hervorgerufen wurden, schlugen auf und ab. Fast sah es
so aus, als ob die Wellen tanzen würden. Für einen Moment schloss ich die Augen
und genoss diesen wunderbaren Augenblick. Ich überlegte, wie ich diesen Augenblick
am besten poetisch einfangen könnte. Es dauerte gar nicht lange und ich fing an
schreiben: „Nichts ist für immer, alles hat seine Zeit, tauche ein in den
Augenblick des Lebens bis in die Ewigkeit….“
    Ich
war so vertieft in meine Gedanken, dass ich es nicht bemerkte wie das Wetter plötzlich
umschlug. Es entging mir, wie der Himmel sich dunkelgrau, ja fast schwarz
färbte. Von weitem hörte ich einen mächtigen Donnerschlag der mich aus meiner
poetischen Gedankenwelt herausriss und schreckhaft aufspringen ließ. Ich blickte
zum Himmel. Oh, oh! Da braute sich etwas zusammen. Und jetzt sah ich auch, dass
die   Kinder, die noch vor kurzem auf der
Wiese spielten, verschwunden waren. Das letzte Pärchen war auch nur noch von
Hinten zu sehen. Eilig liefen sie davon. Ich legte Stift und Papier zurück in
den Karton und streifte mir schnell meine Bluse über. Als ich meine Ballerinas anziehen wollte kam eine so heftige Windböe von
der Seite auf mich zu, dass ich mich an der Bank festhalten musste. Doch es
blieb nicht bei einer einzigen Windböe. Da braute sich ein riesiges Unwetter
zusammen. Auf einmal wurde es so stürmisch, dass ich große Angst bekam. Blätter
von den Bäumen flogen wie wild durch die Luft. Plötzlich sah ich, dass der
Sturm auch Besitz von meinem Karton ergriffen hatte und ihn umkippte. Mein soeben
verfasster Dreizeiler erhob sich in die Lüfte und flog
Richtung Wasser. Doch anstatt unter die Bank zu kriechen, um   ein wenig Schutz vor dem tobenden Wetter zu
suchen, drehte ich mich um
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