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Nicolai

Nicolai

Titel: Nicolai
Autoren: Christine Balasch
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mir nochmal meine Zeilen durch.
Irgendetwas fehlte? Ah ja, das Datum. Schnell kritzelte ich es noch runter,
dann stand ich so ruckartig auf, dass der Stuhl hinter mir umkippte. Ich
blickte mich um, lies ihn aber einfach liegen. Mit meiner Kündigung in der Hand
klopfte ich etwas zaghaft an die Tür von Martin Schreyer. Keine Reaktion. Ich
klopfte noch einmal, diesmal etwas lauter. Wieder keine Reaktion. Vorsichtig
öffnete ich die Tür. Was dann meine Augen sahen wollten diese eigentlich gar
nicht sehen. Mit einer Hand grabschte Martin Schreyer in der Bluse von Sabine
Klage herum und mit der anderen fummelte er unter ihrem Rock. Dass sie
halterlose Strümpfe trug war nicht zu übersehen. Beide knutschten wild rum und
bemerkten mich überhaupt nicht. Ich räusperte mich und ging dann mit forschem
Schritt auf seinen Schreibtisch zu. „Ich mache es kurz, ich sehe ja wie sehr
beschäftigt sie gerade sind. Hier ist meine Kündigung.“ Es war eine Freude zu
sehen, wie sich beide gleichzeitig erschraken und versuchten diese peinliche
Szene ins rechte Licht zu rücken. Aber das war jetzt auch egal. Irgendwie hatte
ich es ja auch geahnt, dass zwischen den beiden was lief. Sollte ich davon
Maria erzählen? Ja, sollte ich. Die weitere Reaktion von Martin Schreyer und
Sabine Klage interessierte mich nicht wirklich. Ich ging aus dem Zimmer und
schloss laut die Tür. Ich glaube, ich knallte sie zu. Dann schnappte ich mir
meine Jacke, warf meine Tasche um die Schultern, nahm meinen Karton und ging. An
der Tür blieb ich kurz stehen und blickte noch einmal etwas wehmütig in mein
Büro. Tja, das war’s. Auf zu neuen Ufern.
    Eilig
lief ich zum Fahrstuhl. Ich wollte hier nur noch raus und bangte, dass keiner
der Angestellten mir gerade jetzt über den Weg laufen würde. Als ich vor dem Fahrstuhl
stand, kam plötzlich Edgar Fröhlich aus seinem Büro. „Frau Mattner ,
nun warten Sie doch mal. Überstürzen Sie nichts. Wir können doch über alles
reden.“, rief er mir von weitem zu. Hatte Martin Schreyer wohl etwa gleich den
Firmenchef wegen mir angerufen? Das glaub ich jetzt nicht. Ich hielt krampfhaft
meinen Karton fest und betete zu Gott, dass er mir doch sofort diesen blöden Fahrstuhl
schicken möchte. Warum dauerte das so lange? Warum gerade jetzt? Stur blickte
ich auf die Fahrstuhltür, bis sie sich endlich öffnete. Schnell stieg ich und
drückte hastig den Knopf für das Erdgeschoss. Doch Edgar Fröhlich war schnell
und stellte prompt seinen Fuß zwischen die Lichtschranke des Fahrstuhls. Ich
schloss kurz meine Augen, machte sie wieder auf und verdrehte sie. „Ist schon
gut Herr Fröhlich. Geben Sie sich keine Mühe.“, sprach ich zu ihm und drückte
wieder den Knopf für das Erdgeschoss anstatt für Tür schließen. Edgar Fröhlich
nahm seinen Fuß von der Lichtschranke weg. So wichtig war ich ihm wohl doch
nicht. Hatte ich jetzt etwa erwartet, dass er vor mir auf die Knie fallen würde?
Wohl nicht. Die Tür ging langsam zu. Fröhlich verzog sich mit schüttelndem Kopf
und von weitem hörte ich nur noch wie Maria mir durch die bereits zugehende
Fahrstuhltür zurief. „Süße, ich ruf dich heute Abend an. Ja?“ Die Tür ging zu.
    Ich
kämpfte mit mir, mein Brustkorb zog sich zusammen. Nein. Nicht weinen. Doch dann
liefen mir auf einmal die Tränen. Ich fuhr abwärts. Fest umschlungen hielt ich meinen
Karton mit meinem Hab und Gut aus den letzten 20 Jahren Fröhlich & Partner in
meinen Armen. Viel war nicht drin. Für andere, die einen Blick in diesen Karton
werfen würden, wäre es unbedeutender Krimskrams. Für mich war es aber der
wertvollste Inhalt. Mit tränenden Augen sah ich in den Karton hinein. Da war
meine Lieblingskaffeetasse, auf der mit schwarzer Schrift mein Name stand. Mein
heißgeliebter Kugelschreiber, meine gelbe Orchidee, ein Foto von Carl und mir,
ein kleiner Marienkäfer aus Holz, eine Clownsfigur und vor allem mein Timeplaner mit all den Namen und Adressen die in meinem
Leben mir als unentbehrlich erschienen. Viele Freunde, Bekannte oder Verwandte
hatte ich ja nicht. Eigentlich gab es nur drei wirklich wichtige Menschen in
meinem Leben. Carl, Schwester Sophia und Maria. Aber das war auch gut so, ich
liebte das Alleinsein. Es machte mir nichts aus. Ganz im Gegenteil zu Maria, die
wohl mehr als 100 Kontakte in ihrem Adressbuch hatte.
    Als
ich endlich nach draußen kam schien die Sonne. Ich setzte kurz den Karton ab
und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Es war sehr heiß und irgendwie
schwül.
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