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Nichts bleibt verborgen

Nichts bleibt verborgen

Titel: Nichts bleibt verborgen
Autoren: Knut Krueger
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in seinem Zimmer. Eine lausige Notlüge, die von seinen Eltern dennoch mit größtem Verständnis zur Kenntnis genommen wurde. Zu arbeiten hatte er tatsächlich, wenn auch nicht für die Schule.
    Er spielte kurz mit dem Gedanken, die Tür abzuschließen, aber das wäre dann doch zu auffällig gewesen. Außerdem konnte er ziemlich sicher sein, dass seine Eltern an ihrem ersten gemeinsamen Abend seit zwölf Wochen Besseres zu tun hatten, als nachzusehen, ob ihr halbwüchsiger Sohn nicht heimlich in der Nase bohrte.
    Er setzte sich an seinen Schreibtisch und begann zunächst damit, sich einen Überblick über das vorhandene Material zu verschaffen. Bei einem Großteil der Kopien handelte es sich um einen Schriftwechsel aus dem Jahr 2004 zwischen Magnus’ Vater und einem Anwalt namens Borgen, dessen Kanzlei am noblen Parkveien lag. Zu den übrigen Unterlagen gehörten Mitteilungen des Gerichts, Kostenrechnungen, Kopien von Kontoauszügen, einige handschriftliche Notizen, die vermutlich von Granbergs Sekretärin stammten, und auch manche Papiere, die Alexander nicht richtig einordnen konnte.
    Es war ein mühseliges Unterfangen, sich durch diesen Wust hindurchzuarbeiten, und das bürokratische Kauderwelsch des Anwalts machte es umso schwerer, den Sinn des Ganzen zu erfassen. Immerhin drückte sich Ole Granberg weitaus weniger geschwollen und umständlich aus als sein Anwalt, also konzentrierte sich Alexander erst einmal darauf, was dieser zu Papier gebracht hatte. Auffällig oft ging es dabei um einen Mann namens Karl Enger, der »meiner Firma schwer geschadet hat«, wie Granberg an einer Stelle schrieb, ehe er fortfuhr: »Dass Enger sich zu so etwas hinreißen lässt, hätte ich nie für möglich gehalten.« Weiter unten stieß Alexander auf folgende Textstelle: »Also bitte ich Sie dringend, alles Ihnen Mögliche zu unternehmen, damit mein persönlicher Ruf durch die kriminellen Machenschaften des Herrn Enger keinen Schaden erleidet und die Firma, die mein Lebenswerk ist, gerettet wird.«
    Was mit den »kriminellen Machenschaften« ge meint war, blieb unklar. Alexander überflog die nächs ten Briefe, die ihn jedoch auch nicht wesentlich klüger machten. Er dachte kurz nach und schaltete seinen Laptop ein. Vacufresh war eine bekannte Firma. Wenn es damals einen Prozess gegeben hatte, bei dem jemand verurteilt worden war, musste darüber doch etwas im Internet zu finden sein. Er googelte die Schlagwörter Vacufresh und Prozess und wurde mit 53 Treffern belohnt. Er klickte einen Artikel des Dagbladet an, der mit »Buchhalter zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt« betitelt war. Nachdem die Seite sich aufgebaut hatte, sprang ihm sofort ein Foto von Ole Granberg entgegen, dessen Gesicht nicht weniger zerknittert aussah als heute. Er stand im Blitzlichtgewitter und streckte in einer Siegerpose beide Arme nach oben, als wäre er ein Boxer, der soeben einen wichtigen Kampf für sich entschieden hatte. Unter dem Foto stand: Firmengründer Ole Granberg nach der Urteilsverkündung .
    Alexander scrollte nach unten und bewegte beim Lesen nahezu lautlos die Lippen: »Am 4. Oktober 2004 wurde ein Mitarbeiter der Buchhaltung wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung von Firmengeldern zu einer vierjährigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte über einen längeren Zeitraum hinweg Firmengelder ins Ausland verbrachte, um sie dem Zugriff der norwegischen Steuerbehörden zu entziehen. Dass er sich darüber hinaus an diesen Geldern persönlich bereicherte, so der Richter bei der Urteilsverkündung, sei ein Ausdruck von persönlicher Habgier, was sich im Strafmaß widerspiegele. Der Anwalt des Verurteilten kündigte an, in Revision zu gehen.«
    Alexander lehnte sich zurück und dachte über die Sache nach. Bei dem Verurteilten musste es sich um diesen Karl Enger handeln. Er wollte Magnus gleich morgen fragen, ob ihm der Name etwas sagte.
    Er tippte den Namen Karl Enger ins Suchfenster ein und klickte auf Bilder . Doch die Vielzahl der Fotos, darunter ein Meerschweinchen und eine Schildkröte, zeigte ihm, dass es offenbar viele Personen gab, die diesen Namen trugen.
    Aus dem Esszimmer drangen das Klappern von Besteck und das fröhliche Lachen seiner Eltern, die ihre Kommunikationsprobleme anscheinend beigelegt hatten. Gut so, dachte er, schloss die Computerdatei und ging auf die Toilette.
    Als er kurz darauf wieder in sein Zimmer kam, schrak er zusammen. Sein Vater stand an seinem
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