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Nichts als Knochen

Nichts als Knochen

Titel: Nichts als Knochen
Autoren: Felizitas Carmann
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eine junge Frau sterben musste. Wir müssen wissen, womit wir es zu tun haben!«
    »Sie verstehen das nicht«, wand sich der Prälat. »Sie verstehen einfach nicht, was alles davon abhängt.«
    »Dann sollten Sie es uns jetzt erklären.« Karsten Gottschalk war näher gekommen und sah Schiavo fest in die Augen. »Spätestens, wenn wir Dario Forza verhören, werden wir es sowieso erfahren. Er wird es uns früher oder später erzählen, wenn er sich durch Kooperation Strafmilderung erhofft. Also reden Sie!«
    »Gott verzeih mir!«, murmelte der Prälat und schloss ergeben die Augen.
    »Ich weiß nicht genau, wann und auf welchen Wegen das Kästchen nach Deutschland gekommen ist«, begann er dann zögernd, »aber im ausgehenden 18. Jahrhundert befand es sich in Arnsberg, im Prämonstratenserkloster Wedinghausen. Es war gut versteckt, und sein Geheimnis wurde nur von Abt zu Abt weitergegeben. Doch es gab auch einen jungen Novizen in diesem Kloster. Jung und extrem neugierig. Er fand das Versteck des Kästchens zufällig, nahm es an sich und machte sich seinen Reim auf das, was er sah. Unglücklicherweise bemerkte der Abt des Klosters den Verlust nur wenige Stunden später. Er berief eine Versammlung der Mönche ein und hielt eine Rede wie ein Flammenmeer. Dabei verriet er zwar nicht, was dieses Kästchen beinhaltete, doch er drohte dem Dieb mit ewigen Höllenqualen, falls es in falsche Hände geriete und der Kirche damit nicht wieder gutzumachender Schaden zugefügt würde. Hierdurch sah der Novize sich noch in seinem Verdacht bestätigt, und langsam wurde ihm klar, dass er einen Fehler gemacht hatte. Außerdem ordnete der Abt auch noch eine Durchsuchung des gesamten Klosters an. Jeder Stein sollte umgedreht und jede Zelle gründlich durchforstet werden.«
    »Das klingt gar nicht gut für unseren kleinen Novizen«, warf Thomas ein, »wie hat er denn reagiert?«
    »Ich vermute, er hat sich vor Angst fast in die Hose gemacht«, entgegnete der Prälat, jegliche Würde vergessend. »Auf alle Fälle wollte er nicht mit dem Kästchen erwischt werden, und er wollte auch nicht, dass es irgendwo im Kloster gefunden wurde, weil er den Zorn des Abtes fürchtete, der dann den Dieb unweigerlich in den eigenen Reihen vermutet hätte. Also brauchte er einen Platz, wo man es auf keinen Fall suchen würde.«
    »Sie brauchen es wirklich nicht so spannend zu machen«, begann Sven zu nörgeln, nachdem er ausdauernd gegähnt hatte.
    »Jetzt lass ihn doch, ich find's spannend.« Knut lächelte dem Kirchenmann ermutigend zu, und dieser fuhr schnell fort.
    »Also gut, ich will es kurz machen. Zur selben Zeit befand sich in dem Kloster der Kölner Dreikönigenschrein, den man auf der Flucht vor den französischen Revolutionstruppen nach Arnsberg geschafft hatte. Der junge Novize hielt den Schrein für ein perfektes Versteck, und in der folgenden Nacht öffnete er ihn, nachdem er die Wachen mit einem Baldrian-Rotwein-Gemisch in einen tiefen Schlummer versetzt hatte, und nähte das Kästchen mit einigen groben Stichen in einem Stück Stoff aus dem Schrein ein. Doch kurz bevor der Schrein das Kloster wieder verließ, überkamen ihn Gewissensbisse, und er fürchtete, dass das Geheimnis dort nicht für immer sicher sein könnte. Also vertraute er sich einem Benediktinermönch an, der für einige Zeit bei ihnen lebte und mit dem er sich angefreundet hatte. Die beiden beschlossen, das Kästchen wieder aus dem Schrein herauszuholen, und der Benediktiner, der wenige Tage später in sein eigenes Kloster zurückkehren wollte, nahm es mit sich und versprach, das Geheimnis zu wahren. Das tat er auch, bis er es kurz vor seinem Tod einem jungen Mitbruder anvertraute. Und dieser Mitbruder war es, der das Kästchen im Jahre 1892 bei der Wiederbesiedlung von Maria Laach dort hinbrachte und im Kloster versteckte.«
    »Gut, so viel zur historischen Abhandlung der Geschichte.« Rebecca trommelte mit den Fingerspitzen auf ihren Schreibtisch. »Hätten Sie vielleicht jetzt auch noch die Güte, uns mitzuteilen, worum es sich hierbei eigentlich handelt?«
    Sie wies mit einer raschen Handbewegung auf die Knochen und wartete auf eine Antwort von Schiavo, der sich erneut über das Kästchen beugte.
    »Sie wissen wirklich nicht, was das ist?«, murmelte der Prälat, immer noch in seine Betrachtung versunken.
    »Bedaure, ich bin nicht katholisch.«
    »Selbst einem Protestanten spreche ich nicht die Fähigkeit ab, den Herrn zu erkennen, wenn er ihm begegnet«, zischte Schiavo
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