Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nichts als Knochen

Nichts als Knochen

Titel: Nichts als Knochen
Autoren: Felizitas Carmann
Vom Netzwerk:
Augenblick und fuhr dann fort. »Es ist richtig. Herr Forza hat gestanden, die Zwillingsschwester eines Benediktinermönchs aus Maria Laach ermordet zu haben.«
    Der Prälat riss die Augen auf und wich kopfschüttelnd einige Schritte zurück.
    »Das glaube ich nicht!« Seine Stimme klang dünn und hoch, wie die Stimme eines Kindes, kurz bevor es in Tränen ausbricht. »Wieso sollte er das getan haben?«
    »Nun, es spielten wohl zwei Motive eine Rolle«, begann Thomas zu erklären, der sich dem Kirchenmann von der Seite genähert hatte und ihn nun freundlich lächelnd ansah. »Ein Motiv war wohl, wie so oft im Leben, Eifersucht. Er hatte sich in Bruder Andreas verliebt und ihn zusammen mit dessen Zwillingsschwester gesehen. Er hatte beobachtet, wie vertraut die beiden miteinander umgingen, und daraus den falschen Schluss gezogen, dass die junge Frau den Mönch verführt habe.«
    Prälat Schiavo sah Thomas verständnislos an und räusperte sich kurz.
    »Verliebt? Was meinen Sie denn, um Himmels willen?«
    Seine Stimme hatte sich wieder um mindestens eine Oktave nach unten bewegt und nahm jetzt einen bockigen Tonfall an. Thomas sah ihm unbewegt in die Augen und antwortete: »Ich meine, dass Dario Forza schwul ist.«
    Der Prälat schnaubte empört, zog die Augenbrauen steil nach oben und bemerkte eisig, ohne Thomas anzusehen: »Ich weiß beim besten Willen nicht, was Sie mir sagen wollen.«
    Thomas ließ ein kurzes Auflachen hören und wandte sich an Rebecca: »Wie sagt man denn schwul auf katholisch?«
    Nur mit größten Mühen gelang es ihr, den unbeteiligten Gesichtsausdruck beizubehalten, während sie auf den Prälaten zuging.
    »Mein Kollege hier möchte sagen, dass Herr Forza homosexuell ist.«
    »Aber das ist völlig unmöglich!«, donnerte Antonio Schiavo. »Das war eine einmalige Verfehlung, eine Jugendsünde, die er tief bereut und für die er gebüßt hat! Seitdem hat er nie wieder irgendwelche solcher Neigungen gezeigt. Wie können Sie es also wagen, so etwas zu behaupten?«
    Rebecca war stehen geblieben und sah ihn interessiert an.
    »Soll das heißen, dass Dario Forza schon früher homosexuelle Kontakte hatte?«
    »Ich verbitte mir solch eine Wortwahl! Es gab einen geringfügigen Zwischenfall mit einem Novizen während seiner Schulzeit in einer Klosterschule. Aber es ist überhaupt nichts Anstößiges geschehen, es handelte sich um reine Sympathie zweier Menschen.«
    »Ich glaube, niemand hier käme auf den Gedanken, die Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen, egal welchen Geschlechts, als ›anstößig‹ zu bezeichnen«, bemerkte Rebecca freundlich, aber bestimmt. »Fest steht, dass Dario Forza sehr wohl homosexuell veranlagt ist und dass ein Motiv für den Mord in seiner Eifersucht auf die Schwester des jungen Mönchs begründet lag. Allerdings gab es noch ein zweites Motiv, und ich hoffe, dass Sie vielleicht etwas Licht in das Dunkel hinsichtlich der Tragweite dieser Sache bringen können.«
    Sie wandte sich um und ging zurück zu ihrem Schreibtisch. Prälat Schiavos Augen folgten ihr.
    »Das zweite Motiv ist dies hier«, hob Rebecca an und streckte die Hand nach einem der Knochen in dem Kästchen aus. »Bruder Andreas hat dies hier im Kloster gefun…«
    »Wagen Sie nicht, das anzufassen!«, brüllte der Prälat und eilte herbei. Überrascht zog Rebecca ihre Hand zurück und sah Schiavo fragend an.
    »Sie wissen, was das ist?«
    »Selbstverständlich! Ich selbst habe Dario beauftragt, es zu suchen und sicher in den Vatikan zu bringen!«
    »Sie ahnen ja nicht, mit welcher Akribie er darauf bedacht war, Ihren Auftrag zu erfüllen«, bemerkte Knut trocken.
    Der Prälat schien ihn nicht gehört zu haben. Mit angehaltenem Atem hatte er sich über Rebeccas Schreibtisch gebeugt und betrachtete die Knochen von allen Seiten.
    »Also, was hat es damit auf sich?«, fragte Rebecca schließlich mit einer Spur von Ungeduld in der Stimme. »Wieso sind diese Knochen so ungeheuer wichtig, und wie kommt so etwas Wichtiges ausgerechnet nach Maria Laach?«
    Der Prälat hob kurz seinen Blick und sah Rebecca an, als habe sie aus weiter Ferne gesprochen. Dann schüttelte er bedauernd den Kopf.
    »Es tut mir Leid, aber ich bin nicht befugt, Ihnen das zu sagen. Es ist von überaus großer Bedeutsamkeit, dass das Geheimnis nicht preisgegeben wird.«
    »Herr Schiavo, so geht das nicht!«, sagte Rebecca mit erhobener Stimme. »Wir ermitteln hier in einem Mordfall, und dieser kleine Haufen alter Knochen ist der Grund dafür, dass
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher