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Nichts als Knochen

Nichts als Knochen

Titel: Nichts als Knochen
Autoren: Felizitas Carmann
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von oben herab.
    Rebecca ging nicht darauf ein.
    »Sehen Sie hier die Inschrift auf dem Deckel, und dann hier die runden Absplitterungen an diesen beiden Knochenteilen. Fällt Ihnen nichts daran auf? Es handelt sich übrigens alles um menschliche Fußknochen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Rebecca schüttelte irritiert den Kopf.
    »Ich fürchte, Sie müssen schon deutlicher werden.«
    Schiavo seufzte tief und wies mit dem rechten Zeigefinger auf die abgesplitterten Stellen.
    »Wenn man diese beiden Knochenteile mit den Absplitterungen aneinander legt, ergibt sich ein kreisrundes Loch.« Er zögerte und sah zu Rebecca auf, die ihn immer noch verständnislos ansah. »Wie von einem Nagel!«, fügte er eindringlich hinzu.
    Rebecca prallte vom Schreibtisch zurück und starrte auf die Knochen.
    »Sie glauben, das sind Fußknochen von Jesus?!«
    »Was ich glaube, ist völlig unerheblich!« Prälat Schiavo setzte eilig den Deckel auf das Kästchen, verschloss es und nahm es an sich. »Jedenfalls muss dies hier auf dem schnellsten Wege in den Vatikan gebracht werden, so, wie es von Anfang an geplant war.«
    Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter, und als er den Kopf wandte, sah er in die stahlblauen, unerbittlichen Augen von Karsten Gottschalck, der seinem Spitznamen ›Clint Eastwood‹ mal wieder alle Ehre machte.
    »Bedaure, Herr Schiavo, aber dies hier ist zunächst einmal ein wichtiges Beweisstück in einem Mordprozess und geht erst mal nirgendwohin, außer in die Asservatenkammer.« Mit geschickten Fingern entwand Karsten das Kästchen der widerstrebenden Umklammerung des Prälaten und reichte es dann an Thomas weiter. »Sobald es als Beweisstück nicht mehr benötigt wird, kann der Vatikan gerne einen Antrag auf Übergabe des Gegenstandes stellen. Aber bis dahin bleibt er hier.«
    Der Prälat war blass geworden und sah sehnsüchtig zu Thomas hinüber, der die Reliquie an sich drückte und Schiavo einen grimmigen Blick zuwarf.
    »Ich muss mit dem Heiligen Vater telefonieren!«, flüsterte der Prälat, während er rückwärts wankte. »Wo kann ich hier ungestört telefonieren?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, stolperte er aus dem Büro und verschwand. Rebecca gab Sven einen Wink, ihm zu folgen.
    »So, jetzt wissen wir's also«, bemerkte sie dann. »Dario sollte eine Reliquie von Jesus in den Vatikan bringen. Was daran so wertvoll sein soll, ist mir allerdings völlig unklar. Es gibt doch Tausende von Reliquien.«
    »Aber nicht von Jesus«, warf Knut ein.
    »Klar gibt's die. Was ist zum Beispiel mit dem Turiner Grabtuch oder mit unzähligen Splittern vom Kreuz oder Dornen von der Dornenkrone?«
    »Sicher, die werden alle als Jesusreliquien bezeichnet, aber es sind alles sekundäre Reliquien und keine primären, also keine Körperteile. Außerdem gab es gerade um das Turiner Grabtuch ziemlich viel Wirbel, weil es nämlich eine ganze Reihe von Leuten gibt, die behaupten, dass ein solches Bildnis vom Antlitz eines Menschen auf einem Stück Stoff nur dann zustande kommen kann, wenn der darunter liegende Mensch noch lebt. Daraus folgte also, dass Jesus nach der Kreuzigung noch gelebt haben muss, falls es sich bei dem Stoff wirklich um sein Grabtuch handelte. Ihr könnt euch vorstellen, dass der Vatikan alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um zu beweisen, dass es sich bei dem Turiner Grabtuch um eine Fälschung handelte. Eine vom Papst angeordnete Untersuchung nach der Radiokarbonmethode hat dann angeblich ergeben, dass das Tuch aus dem vierzehnten Jahrhundert stammt.«
    »Manchmal ist es wirklich von Vorteil, dass du eine christliche Schule besucht hast«, warf Thomas anerkennend ein.
    »Quatsch, glaubst du, so was hätten wir da im Religionsunterricht gelernt? Ich hab mich mal etwas intensiver mit dem Thema beschäftigt und auch ein Buch über das Turiner Grabtuch gelesen.« Knut ließ sein Klaus-Kinski-Grinsen sehen und fuhr dann fort. »Eine Primärreliquie von Jesus hat es bisher nicht gegeben, wenn man mal von ein paar nicht ernst zu nehmenden Fälschungen absieht.«
    »Aber wer sagt uns, dass es sich bei dieser Reliquie nicht auch um eine Fälschung handelt?«, wandte Rebecca ein und sah Knut erwartungsvoll an. »Wäre doch möglich!«
    »Klar wäre das möglich. Nicht nur möglich, sondern sogar ziemlich wahrscheinlich. Und das ist ja auch genau das, was der Vatikan will. Aber was ist, wenn es sich doch nicht als Fälschung herausstellt? Das kann die katholische Kirche nicht riskieren. Also muss diese
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