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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit
Autoren: Anne Chaplet
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unterhielt bei ihrem Monolog.
    »Als man Zettels Leiche endlich fand, war klar: Es mußte eines seiner Opfer gewesen sein, das mit Hans Becker einen Mitwisser aus dem Wege räumte, nachdem es den Hauptschurken bereits erledigt hatte.«
    Karen machte eine Pause und versuchte zu rekonstruieren, warum und wie sie endlich begriffen hatte, was geschehen war.
    »Es war das Wort ›Wahrheit‹, das mich auf die richtige Spur brachte. Alexander Bunge hatte in dem von ihm verfaßten Text seiner Todesanzeige über sich selbst sagen lassen: ›Er liebte die Wahrheit mehr als das Leben. Das Leben hatte ein Einsehen.‹ Das konnte heißen, daß das Gerücht über ihn nicht die Wahrheit war. Andererseits konnte man das auch so interpretieren, daß er das Leben für die Wahrheit zu opfern bereit war. Zettel hatte die Wahrheit gesagt, mit anderen Worten.«
    Karen guckte in die Runde. »Könnt ihr mir folgen?«
    »Nicht ganz«, sagte Kosinski. Bremer zuckte mit den Schultern. Nur Anne sah hellwach aus.
    »Nach allem, was ich über Zettel hörte, war er ein mieser Typ, der gern quälte – dabei aber streng bei der Wahrheit blieb.« Karen sah Anne an.
    »Nur mit der Wahrheit kann man Menschen wirklich quälen«, sagte die und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sie sieht müde aus, dachte Karen. Älter geworden.
    »Es gab nur eine einzige Person, die ihn der Lüge bezichtigte«, fuhr sie fort. »Es war die einzige Person, die von Zettel in der Vergangenheitsform redete, als noch alle davon ausgingen, daß er lebte. Die einzige, die wußte, daß er seinen Hund seit einer Woche alleinließ. Ich habe das erst begriffen, als es fast zu spät war.« Karen fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Sie hätte verhindern können, daß Lilly zu Tode stürzte. »Ich wäre sonst früher auf dem Reichstag gewesen.«
    »Ich habe noch nie soviel Haß im Gesicht eines Menschen gesehen«, sagte Anne.
    »Ich habe es auch gesehen. Sie – triumphierte.«
    »›Spring‹, hat sie zu mir gesagt. ›Wer sich erhebt, fällt tief!‹« Annes Stimme klang ruhig, als sie das sagte. Aber ihre Unterlippe zitterte.
    »Aber warum wollte sie ausgerechnet dich umbringen?« Paul klang mißtrauisch.
    »Sie war eifersüchtig. Sie war verrückt« – Karen zählte die Motive, die sie bei Lilly vermutete, an den Fingern ab. »Und sie brauchte einen Sündenbock.«
    »Sie muß es gewesen sein, die mich bei den Journalisten denunziert hat. ›Ehrgeizige Politikerin bringt ihren Geliebten dazu, ihren Vorgänger in den Tod zu treiben, ermordet dann ihren Helfershelfer und erschießt schließlich den Journalisten, der der Sache auf der Spur ist‹ – die Presse liebt solche Stories. Wenn es ihr gelungen wäre, wenn ich die Balance verloren hätte, wenn ich hinuntergefallen wäre …«
    »Genau.« Karen nickte Anne zu. »In Wirklichkeit war sie es, die ihren Erpresser umgebracht hat.«
    »Weiß man das? Peter Zettel könnte doch genausogut ohne Nachhilfe zu Tode gekommen sein.« Kosinski dachte logisch – aber er wußte nicht, was sie wußte.
    »Es gibt ein Indiz dafür, daß sie im Bunker war, in dem man Zettels Leiche gefunden hat.« Karen machte eine Kunstpause. »Die Spurensicherung hat einen ihrer Haarkämme gefunden.«
    Anne schlug sich die Hand vor den Mund, als ob sie das überraschte.
    »Und wo?«
    »Direkt am Eingang.«
    Kosinski wiegte den Kopf. Sie wußte, was er dachte – ein solches Beweismittel nützte nicht viel. »Gehen wir also davon aus, daß Lilly E. Meier zumindestens vom Tod Peter Zettels wußte, sofern sie nicht die Ursache dessen war. Was aber ist mit dem erschossenen Journalisten?« Seine Stimme klang unaufgeregt. Karen war ihm dankbar dafür.
    »Hans Becker ist vor dem eingeschalteten Computer Peter Zettels aufgefunden worden. Wir wissen, daß er nach Beweisen dafür suchte, daß die gefälschte Meldung von Zettel verfaßt wurde. Es liegt nahe, daß er dabei auf Zettels Dossiers stieß. Gut möglich, daß er sein eigenes gelesen hat. Gut möglich auch, daß er alles über Lilly erfahren hat.«
    Karen war bei der Lektüre verblüfft gewesen, mit welch einfachen Mitteln die Meier alle ihre Leser getäuscht hatte – jahrelang. Sie hatte einfach nur das geschrieben, was die Leute hören wollten. Wer würde schon in Frage stellen, was so vorzüglich ins eigene Weltbild paßte?
    »Es ist also möglich, daß sie ihn erschossen hat. Aber ist es bewiesen?« Karen ließ sich ungern daran erinnern, wie schwach ihre Beweisführung war. Ein guter Anwalt würde
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