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nichts als die wahrheit

nichts als die wahrheit

Titel: nichts als die wahrheit
Autoren: Anne Chaplet
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Fuß.
    Kosinski nickte. Bremers Züge hatten sich entspannt. Nur Anne saß da, als hätte sie schlecht geträumt.
    »Es könnte so gewesen sein.« Kosinskis zerknittertes Gesicht drückte milden Zweifel aus. »Aber es könnte auch anders gewesen sein.«
    Jetzt nickte Karen. Der Hund zu ihren Füßen gähnte und streckte sich.
    »Aber wie?«
    Darauf schien niemand eine Antwort zu haben. Karen merkte, wie sie langsam schläfrig wurde – und hungrig. Sie lächelte dankbar, als Anne eine Platte mit Brot, Essiggurken, Butter und Wurst auf den Tisch stellte, und fragte sich nur kurz, warum Anne nicht zurücklächelte. Sie sah geistesabwesend aus.
    Ein paar Minuten später stellte sie vier Gläser mit frisch gezapftem Bier auf den Tisch. Karen belegte sich ein dicke Scheibe Bauernbrot mit Salami und Gurkenscheiben und biß ohne den geringsten Gedanken an ihre Figur hinein.
    Nach einer Weile sagte sie: »Alles wäre natürlich einfacher, wenn wir im Mordfall Becker die Tatwaffe gefunden hätten.«
    »Natürlich«, sagte Kosinski mit vollem Mund.
    Anne schien überrascht. »Es ist keine Pistole gefunden worden?«
    »Nein. Wir haben das Projektil, mit dem Hans Becker erschossen wurde. Aber die dazugehörige Waffe ist spurlos verschwunden.«
    »Aber – bei Lillys Leiche …« Anne hörte sich verwirrt an. »Ich meine – sie hat mich bedroht.« Sie machte eine hilflose Pause. »Ich wäre doch freiwillig nicht da hinaufgeklettert …«
    Karen spülte mit einem großen Schluck Bier nach. »Sie haben geglaubt , Sie würden bedroht, Frau Burau«, sagte sie.
    »Nein – ich …« Anne schien völlig durcheinander zu sein.
    »Wir haben jedenfalls bei der Leiche Lilly Meiers keine Waffe gefunden.« Karen merkte mit Verwunderung, daß Anne blaß im Gesicht war. Glaubte die Burau etwa, sie müsse eine Waffe erfinden, damit man ihr die Geschichte abnahm?
    Karen stellte das Bierglas behutsam auf den Tisch. Nach einer Weile sagte sie: »Ich glaube Ihnen, daß Sie sich bedroht gefühlt haben, Anne. Sie haben plötzlich die Arme weit ausgebreitet, mit den Handflächen nach vorn …«
    Karen hielt inne. So, dachte sie plötzlich mit Verwunderung, als ob Anne Burau aller Welt hatte zeigen wollen, daß sie, nicht Lilly, das Opfer war.

6
    Ein weicher Wind strich ihr durchs Haar. Es war außergewöhnlich warm für September, die Nacht roch nach Sommer. Anne hatte Kosinski zu seinem Auto begleitet.
    »Schade, daß Sie nicht mehr rauchen«, sagte sie, als er schon bei geöffneter Tür, im Fahrersitz saß.
    »Und wie leid mir das erst tut …« Er blinzelte zu ihr hinauf.
    Einem plötzlichen Impuls folgend, beugte sie sich zu ihm hinunter und küßte ihn auf die Wange. Sie sah im Dunkeln, daß er lächelte.
    »Paß auf dich auf, Anne«, sagte er. Sie trat zurück. Er schloß die Wagentür, ließ das Auto anspringen und fuhr vom Hof.
    Anne ging langsam zurück und horchte auf die Geräusche der Nacht. Auf der Koppel grummelte ein Pferd, die Birke neben dem Löschteich raschelte mit den Blättern, und ein Käuzchen rief. Drinnen in der Gaststube hörte sie Paul und Karen gedämpft miteinander reden. Sie blieb vor der Tür stehen und hielt ihr Gesicht in den Wind.
    Karens Geschichte war plausibel. Sie war, auch ohne harte Beweise, sauber abgeleitet. Sie erklärte alles. So, genau so, konnte es gewesen sein. Anne legte den Kopf nach hinten und suchte nach dem Sirius. Und der Rest? Alles Einbildung?
    Alles nur geträumt – die Verbindung von Bunge und Zettel? Das Leerräumen der Bunker? Die Bereinigung der Geschichte? Die Deals mit den kläglichen Überbleibseln Groß-Germanias, mit Munition und Helmen, Abzeichen und Waffen? Pure Phantasie? Dann wäre auch Jons Geschichte falsch gewesen, genauso falsch wie …
    Sie ließ die Schultern fallen und atmete aus. Den Mann jedenfalls hatte sie nicht geträumt.
    Die andere Möglichkeit: In Karens Geschichte fehlte etwas. Zum Beispiel die Antwort auf Pauls Frage – eine Frage, die Karen gar nicht gehört zu haben schien.
    »Na gut«, hatte er gefragt, »vielleicht war Lilly mit Peter Zettel im Bunker gewesen – aber warum !«
    »Ich weiß, warum«, hätte Anne am liebsten geantwortet. »Peter wollte wenigstens einer Person sein Geheimnis offenbaren, wenigstens einem Menschen gegenüber mit dem angeben, was er tat. Lilly gegenüber konnte er sich frei bewegen. Lilly mußte schweigen. Er hatte sie in der Hand.«
    Anne hörte Dagobert kläffen, oben vom Wohnhaus her, seinem angestammten Platz, an dem er Wache
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