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Nicht ohne meinen Mops

Nicht ohne meinen Mops

Titel: Nicht ohne meinen Mops
Autoren: Silke Porath
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den Flur. Der allein ist größer als mein jetziges Apartment. Der Fußboden ist gekachelt, weiß mit kleinen roten Rauten zwischen den einzelnen Fliesen. Es sieht aus wie bester Jugendstil, kann es aber nicht sein, da das Haus im Krieg komplett zerbombt wurde. Zum Glück, denke ich, denn ein Haus von anno Zwieback hätte ganz sicher kein Oberlicht gehabt, durch das milchigweißes Licht in den Flur fällt.
    Vom Flur aus gehen fünf Türen ab. Im Uhrzeigersinn gesehen geht es zuerst in eine kleine Toilette, mehr lang als breit. Dann kommt die Küche (mit der eingebauten Duschkabine) samt herrlichem Balkon auf den Hinterhof. Auf 11 und auf 13 Uhr befinden sich zwei Räume, der dritte ist etwa auf 16 Uhr. Ich gehe nach 16 Uhr. Zwei Fenster, die bis zum Boden reichen. Davor ein französischer Balkon mit zwar staubigem, aber schön verschnörkeltem Gitter. Das Schönste in diesem Raum ist aber ein rundes Fenster. Unter dieses Bullauge werde ich mein Bett stellen, bewacht von einer nackten Frau aus Tiffanyglas, durch deren blauen Hut jetzt ein Sonnenstrahl auf das Schiffsbodenparkett fällt. Es sieht aus, als ob diese Dame mir zuzwinkert und sagt: »Herzlich willkommen.« Ich streichle über das kühle Glas und die Bleieinfassungen. Und fühle mich wohl. Sauwohl.
    Die anderen beiden Zimmer sind beinahe identisch. Zwischen ihnen ist noch eine Verbindungstür, wie der Vermieter mir sagte. Allerdings wurde diese durch eingebaute Regale auf beiden Seiten dicht gemacht. Im Zimmer neben meinem ist ein fast raumfüllendes Stuckgebilde an der Decke. Das andere Zimmer glänzt mit einem kleinen gemauerten Balkon.
    Ich gehe zurück in den Flur. Meine Absätze klackern auf den Fliesen, die Sonne linst durchs Oberlicht. Auch auf die Gefahr hin, mich sofort bei meinen Nachbarn, einen Stock tiefer, unbeliebt zu machen, stoße ich einen lauten Schrei aus, der selbst Tarzan geweckt hätte und tanze einen wilden Cha-Cha-Cha unterm Oberlicht. Für dieses Schmuckstück müssen sich doch Mitbewohner finden lassen! Und zur allergrößten Not – aber nur unter Herzschmerzen – kann ich den Mietvertrag ja binnen einer Woche widerrufen …
     
    Am nächsten Morgen bin ich überpünktlich im Tabakladen. Zum ersten Mal seit Monaten fahre ich an Bushaltestellen vorbei, an denen noch Schüler stehen, die auf den Transport ins Wagenburggymnasium oder die Waldorfschule warten. Onkel Fritz starrt mich verwundert an, als ich mich kurz nach acht an den Stapeln mit frisch gelieferten Tageszeitungen vorbeischlängle, die zwischen den Regalen auf dem Boden liegen. Sein Doppelkinn vibriert fragend, als ich an ihm vorbeihusche, meine Tasche und Jacke ins Büro werfe und gleich darauf, mit einem Teppichmesser bewaffnet, in den Ladenraum zurückkomme. Onkel Fritz brummt etwas, das wie »Guten Morgen« klingt. Dann machen wir uns gemeinsam daran, die Plastikbänder von den Paketen zu schneiden und die Zeitungen in die Regale zu räumen. Die ›Süddeutsche‹ macht wie immer Mucken, weil sie viel zu dick ist für das schmale Regal. Dafür leuchtet die ›Hyrriet‹ in schönem Rosa. Am besten riecht, wie jeden Tag, die ›Welt‹. Meine Theorie: Die mischen in der Druckerei irgendeinen Duftstoff in die Druckerschwärze, damit die Leute die Zeitung nach Geruch kaufen. Die Bäckerei nebenan jedenfalls hat vor zwei Monaten eine Duftanlage installiert, aus der in regelmäßigem Abstand künstlich erzeugtes Aroma von frischen Brötchen in den Supermarkt geblasen wird. Was funktioniert – seit dem habe ich zwei Kilo zugenommen, weil ich mindestens dreimal während einer Schicht meiner Nase folge und ein süßes Teilchen essen muss.
    »Sag mal, Tanja, was machst du eigentlich schon hier? Du hast doch Spätschicht?« Onkel Fritz keucht, als er seine schwere Wampe (zu viele Schokoriegel aus dem eigenen Bestand) durch die Reihen mit Zeitschriftenregalen schiebt. In seinen blauen Augen prangt ein großes Fragezeichen.
    »Na ja«, stöhne ich und überlege zum x-ten Mal, wie ich es meinem Chef beibringe. Ich könnte sagen, dass ich die ganze Nacht sowieso kein Auge zugetan habe, weil ich a) an meinen Kontostand gedacht und b) schon mal mein künftiges Zimmer mit meinen wenigen Habseligkeiten möbliert habe. Ich könnte ihm direkt das Plakat unter die Nase halten, das ich heute Nacht um vier gemalt habe und eigentlich an der Eingangstür des Ladens aufhängen will, direkt neben der Werbung für den kommenden Lottojackpot. Ich könnte auch irgendwas säuseln von wegen, dass
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